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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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bedenken«, knurrte Cohatl unheilvoll. »Da wäre zum Beispiel auch das Problem Arbeitslosigkeit!« Wie zufällig stellte er dabei einen Fuß auf das fleckenlos reine Sitzkissen auf dem Thronsessel des Stadtoberhaupts und hinterließ dort, wo sonst der Hintern von Meyer Khulpa zu verweilen pflegte, eine Klecks Müllbachschlamm.
    »Arbeitslosigkeit?« japste der Bürgermeister verstört. Er spürte, wie die Angst ihn packte, wie sie langsam durch seine dicke Politikerhaut eindrang. Arbeitsplätze bedeuteten Wählerstimmen, und Wählerstimmen bedeuteten Amt und Würden.
    Cohatl lächelte kalt und riß Meyer Khulpa die Amtskette vom feisten Hals. »Wer wird die wohl in Zukunft tragen?« fragte er.
    Der Bürgermeister riß die Hände hoch und umkrallte den nackten Hals, ganz so wie einer, der die letzten Qualen einer tödlichen Vergiftung durchlitt. »Das kannst du nicht machen! Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Du platzt unangemeldet in mein Büro, säufst mir meinen Weinbrand weg und reißt mir die …«
    Quintzis Jünger jubelten verhalten.
    »Ich weiß sehr wohl, wer ich bin«, fauchte Quintzi und ließ die Kette um seinen fleischigen Zeigefinger kreiseln. »Und auch die Zukunft weiß, wer ich bin. Jetzt, denke ich, ist es an der Zeit, daß ich mich auch bei alle anderen bekannt machen sollte!« Seine Jünger jubelten. Quintzi machte schwungvoll auf dem Absatz kehrt, warf das mittlerweile leere Kristallglas hoch in die Luft und marschierte auf die Tür zu, durch die er eingetreten war.
    Meyer Khulpa sah, wie sich funkelnd wie in einem Prismenglas das Licht in dem fallenden Cognacschwenker brach, und schrie auf. Noch bevor es ihm bewußt wurde, war er schon losgestürzt, Arme und Hände weit ausgestreckt, die Augen fest auf das Glas gerichtet. Wie ein Rugbyspieler sprang er hoch und ließ im letzten Moment die Hände zwischen Glas und Büroteppich gleiten.
    »Gut gehalten«, grinste Cohatl und verschwand mitsamt wirbelnder Amtskette im Korridor.
    »Freut mich zu sehen, daß Sie noch wissen, was vorrangig erledigt werden muß«, bemerkte der Sekretär und schlug sich verzweifelt an die Stirn.
    »Hä?« keuchte der auf dem Bauch liegende Bürgermeister.
    Der Sekretär hob kurz die Hände zum Himmel und legte sie dann an den Hals, so als taste er nach einem stattlichen und unvorstellbar wertvollen, mit Gold und Diamanten besetzten amtlichen Schmuckgegenstand.
    »Aaaah! He! Gib mir meine Kette wieder!« schrie Meyer Khulpa, der sich plötzlich beängstigend nackt vorkam. Die Kette bedeutete ihm sehr viel. Sie war sein Paß, das Mittel, das ihm Zutritt verschaffte zu annähernd vierhundert Diners pro Jahr, ohne sie mußte er Hunger leiden. »Es gibt kein Entkommen. Meine Wachen werden dich kriegen!«
    »Ich kann da eigentlich keine Probleme vorhersehen«, hörte er Quintzis hallende Stimme. Der Prophet sauste den Korridor entlang, gefolgt von einer Schar heillos verwirrter Jünger, die fieberhaft rechneten: Der Wert der Kette, geteilt durch … das ergibt für jeden …
    Meyer Khulpa rannte so schnell, wie er lange nicht mehr gerannt war. [18] Er sauste durch die Tür, bog in den Korridor ein und hetzte hinter dem Dieb her. So eine Frechheit! Wenn dieser Kerl schon unbedingt eine Bürgermeisterkette haben wollte, warum hatte er nicht eine Wahl organisiert und entsprechend geschmiert – so wie er, Meyer Khulpa, das halt auch gemacht hatte? Aber mit dieser Tour würde er nicht weit kommen. Überall waren Wachen postiert.
     
    Ryffel, Wachtmeister des Amtes für Natürliche Ordnung, stapfte stumpfsinnig am Ufer des Müllbachs dahin. Er war verwirrt, ihm schwirrte der Kopf. Er konnte sich einfach nicht erklären, wie diese Sache im Zentralgebäude des Amtes hatte geschehen können. Einfach unbegreiflich, der ganze Vorfall, von hinten bis vorn unbegreiflich!
    Oder konnte es sein, daß er – wie Strappado vermutete – durchgeknallt war und einen Papagei wegen Mordes verhaftet hatte? Nein, das konnte nicht sein … Oder? Da war einmal die Leiche – ihn schauderte, wenn er an das verschrumpelte Gesicht dachte. So was kann doch kein Papagei anrichten, oder? Ein Vampirpapagei? Nein, nein! Wie hätte der denn die Leiche in den Sack stecken und in das verschlammte Bachbett hinausschleppen können?
    Nein. Es gab da bestimmte eine einfache Erklärung. Ryffel fing noch einmal ganz von vorn an und rief sich detailliert in Erinnerung, was er gemacht hatte. Also gut: Zuerst hatte er, einem Hinweis von Frau Ausrichter folgend, den

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