Die Nanowichte
unserem Treffen mit dem Bürgermeister zu begeben, für das wir allerorten so meisterhaft Werbung gemacht haben!« beendete Quintzi seine Rede, die durchaus bewegt, aber auch verwirrt aufgenommen wurde. Unter prophetischer Profitmacherei hatte sich seine Gefolgschaft ehrlich gesagt etwas anderes vorgestellt als ein Schwätzchen mit Meyer Khulpa, dem Bürgermeister.
Aber sie wußten ja nichts von Quintzis Plänen; sie hatten keine Ahnung von dem lukrativen Übernahmeangebot, das er dem Bürgermeister unterbreiten wollte.
»Kommt schon!« schrie er, fuchtelte mit den Armen durch die Luft und sauste radschlagend und mit aufgeregt klopfendem Herzen am Ufer des Müllbachs entlang, hinein ins Zentrum von Guldenburg.
Hinter ihm sammelten sich seine begeisterten Anhänger immer wieder in kleinen Gruppen zusammen und nagelten Plakate an jede einigermaßen senkrechte Stelle. Plakate, die alles überdeckten und auf denen die Ankündigung stand:
IST DIE ZUKUNFT WIRKLICH SO TOLL, WIE IMMER BEHAUPTET WIRD?
ODER STEHT EIN EWIGER HARTER KAMPF BEVOR?
WAS HALTEN SIE VON SELBSTVERWIRKLICHUNG?
HÖREN SIE SICH AN, WAS DER BÜRGERMEISTER DAZU MEINT!
KOMMEN AUCH SIE ZUM RATHAUS!
HEUTE ABEND!
Und gerade als die letzten Jünger die Uferböschung hinaufkletterten und sich aus dem Staub machten, tauchte ein geschäftiges Weiblein auf, stutzte, blickte auf das verschlammte Bett des Müllbachs und blieb wie angewurzelt stehen. Sie blinzelte ungläubig, rieb sich die Augen, putzte ihren Kneifer und sah noch einmal hin. Sie schäumte vor Wut: Schon wieder lag da ein schwarzer Sack und verunzierte die feuchtglänzende Schlammfläche!
»Ryffel!« schrie sie. Dann machte sie kehrt und lief, wild mit den Armen fuchtelnd, ins Amt für Natürliche Ordnung.
»Ein Mord, sagst du?« Überwachtmeister Strappado rang nach Luft.
»Jawoll, Chef. Ein unbefugter Mord!« erklärte Wachtmeister Ryffel und polierte sich selbstgefällig die Fingernägel an seiner schwarzen Latzhose. »Es gibt keine einschlägigen Unterlagen. Nicht ein Stück Pergament. Nirgends. Der erste Fall seit Jahren. Der Täter ist bereits verhaftet, Chef. Von mir, Chef!«
»Schon?«
»Jawoll, Chef. Da isser!« Ryffel stand auf und zeigte auf die vergitterte Zelle.
»Gut gemacht! Das gibt eine Beförderung!«
»Und eine satte Gehaltserhöhung, Chef?«
»Und eine satte Gehaltserhöhung!« wiederholte Strappado und streckte – was er nur sehr selten einmal tat – die Hand herzlich und wohlwollend aus …
So war es zumindest in seinem Traum. Die ganze Aufregung und dazu die Anstrengung, die es bedeutet hatte, einen schwarzen Sack mit Beweismitteln den langen Weg bis zum Amt für Natürliche Ordnung zu schleppen, das alles hatte Ryffel doch ziemlich mitgenommen. Es hatte nicht lange gedauert, und Ryffel war in der dämmrigen Kühle des Zellentrakts sanft und friedlich eingeduselt.
Aber während Ryffel lautstark schnarchte, war Hogshead aktiv. Er hatte schon bald festgestellt, daß der leuchtendbunt gefiederte Papagei (der ihn, wie es schien, adoptiert hatte) um einiges intelligenter war, als er aussah.
Nur wenige Minuten nachdem er in den Tiefen seiner Kitteltasche eine Buchecker, ein Erinnerungsstück an seinen Botanikunterricht, entdeckt und mit dem Vogel geteilt hatte, hatte er auf ein Stöckchen gezeigt, das auf dem Zellenboden lag, und – ohne es eigentlich ernst zu meinen – »Hol es!« gemurmelt.
Verblüfft hatte er dem Papagei das Stöckchen abgenommen, hatte ihm eine Buchecker in den Schnabel gesteckt, das Stöckchen wieder fortgeworfen, und … und dann war ihm die Idee gekommen.
Er hatte seine Taschen ausgeräumt, hatte erst auf den zu Tage geförderten Bucheckernvorrat, dann auf den dösenden Wärter vor der Gittertür gezeigt und dabei mit den Armen eine Reihe komplizierter Gebärden ausgeführt.
Tiemecx wären beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen, als er sah, wie groß die Belohnung war, die er für die Erledigung dieser einfachen Aufgabe erhalten sollte. Er bekundete kreischend sein Einverständnis und hopste durch die Gitterstäbe zur Zellentür hinaus. Hogshead konnte es kaum glauben. Dieser Vogel war hervorragend abgerichtet.
Hogshead wäre weniger beeindruckt gewesen, wenn er die nüchterne Wahrheit gekannt hätte: Für ein bißchen Knabbern hätte Tiemecx absolut alles getan. Krallen kratzten über den Steinboden, der Vogel watschelte drauflos, taxierte die Situation und heckte einen Aktionsplan aus.
Hogshead wagte kaum zu atmen. Er
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