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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Treppe auf, verdichtete sich und hielt den Mob vom Weiterstürmen ab. Noch nie hatte einer von den fünfzehntausend Halsabschneidern, Meuchelmördern und Langfingern etwas ähnlich Befremdliches erlebt. Mit offenem Mund staunten sie den summenden, silbrigen Bienenschwarm an, hörten, wie er immer lauter brummte, sahen, wie er durcheinanderwirbelte und eine Säule aus purer Magie bildete. Über dem Kopf der steinernen Giftschleiche schimmerte eine Kaskade kreiselnder Sterne, pulsierte geheimnisvoll, nahm schnell an Umfang zu, wurde fest und stabilisierte sich als annähernd zylindrische große Form. Weit hinten in der Menge hüpfte Hogshead wie wild auf und ab und wollte unbedingt sehen, was da vorn passierte. Und als er die typischen Anzeichen erkannte, die Merlots Auftritt ankündigten, da hüpfte ihm das Herz im Leib vor Freude und Erleichterung.
    Quintzi Cohatl fauchte wütend. Er spuckte Gift und Galle beim Anblick der Zauberergestalt, die durch diesen infamen Gewaltstreich seinen großen Plan zum Scheitern brachte. Und das vor allen Leuten! Und dann verfluchte er auch noch seinen Körper, der wieder so scheußlich schmerzte. Hätte er doch nur eine kleine Pause einlegen, sich ein gutes Tröpfchen Thaumaglobin genehmigen und die Situation wieder unter Kontrolle bringen können, die ihm immer mehr zu entgleiten drohte …
    Und dann flammte plötzlich und beinahe so, als hätte die Realität Schluckauf bekommen, ein blendendheller Blitz auf, und ein hochgewachsener Mann stand vor ihm, bekleidet mit einem bodenlangen Gehrock in der Farbe von E-Dur, der am Kragen und an den Ärmelaufschlägen c-Moll-farbig paspeliert war. Merkwürdigerweise trug er dazu einen schwarz, rot und violett gemusterten langen Schal, der ihn für jeden, der auch nur ein wenig Ahnung von Polo hatte, als Mitglied des Fanclubs der Apokalyptischen Vier auswies. »Tag, zusammen«, sagte er.
    Weiter kam er nicht. Denn Quintzi war jetzt blitzartig die Erleuchtung gekommen, von wem er sich das nächste Quantum Muntermacher holen konnte. Er stand hoch oben auf dem Kopf der anderen steinernen Giftschleiche, warf die Kapuze ab, winkte und fuchtelte mit den Armen und schrie und brüllte seinen Jüngern zu: »Packt ihn! Werft euch auf ihn! Schnell!«
    Der Mob, erschüttert vom Anblick der Veränderung, die unter der Kapuze stattgefunden hatte, stand wie angewurzelt.
    Auch Strappado rührte sich keinen Millimeter vom Fleck, das flittrige Debüt hatte ihn so sehr überwältigt, daß ihm die Kinnlade bis auf die Brust herabhing. Er blinzelte verdattert, blickte erst den frisch materialisierten Zauberer, dann seinen MAD-Kontaktmann (kein Zweifel: Er war es!) und schließlich die Ölgötzen an, die der Agent zum Einsatz aufforderte. Und weil er immer und zuallererst an seine Karriere dachte, brüllte er Quintzis Jünger an: »Jetzt macht schon endlich! Wie lange wollt ihr eigentlich noch warten? Schnappt euch den verdammten Kryptomagisten! Packt ihn! Los!«
    Wenn sein Kontaktmann vom MAD dahinterkam, wer diesen Befehl gegeben hatte, dann würde er, Strappado, Mitglied dieser Elitetruppe werden – schneller, als man die Hymne des Königreichs Cranachan pfeifen konnte. Und weil die nur vier Takte hatte, wäre das wirklich sehr schnell gewesen.
    Noch ehe Strappado überhaupt erfaßt hatte, daß ein ganz bestimmtes Individuum gar nicht daran dachte, auf ihn zuzulaufen und ihm herzlich die Hand zu schütteln, hatten Quintzis wutschnaubende Gefährten Merlot niedergeworfen und ihm den Hut über die Augen gezogen. Und noch im selben Augenblick drückte ein Dutzend stämmiger Jünger den Zauberer auf den Boden, und der Meister der Self-fulfilling Prophecy sprang von der steinernen Schleiche herunter und landete – ein arthritische Häuflein Elend – neben ihm. Aber schon im nächsten Moment, kaum daß er kurz Luft geholt hatte, zog Quintzi den Hextirpator aus der Manteltasche und hielt ihn Merlot drohend vor die Nase.
    »Das war’s dann. Festnehmen, den Kerl! Legt ihm die Eisen an!« brüllte Strappado aus der Menge.
    Hogshead hopste hinter der Menge auf und ab und versuchte herauszufinden, wohin Merlot so plötzlich verschwunden war. Hatte er sich etwa alles nur eingebildet? War es möglicherweise eine Halluzination gewesen? Noch einmal hüpfte er hoch – genau in dem Augenblick, als weit vorn auf der Rathaustreppe Quintzi Cohatl vom steinernen Kopf der Giftschleiche heruntersprang, die Arme weit ausbreitete und mit wüstem Geschrei den Hextirpator aus der

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