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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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ihn mir zurück. Aber zuerst …« Er schüttelte die Handschuhe ab, streckte zitternd den Finger aus, schöpfte vier Tropfen purifiziertes Thaumaglobin aus einem kleinen Behälter und ließ sie sich – die Augen weit aufgerissen vor Aufregung – auf die Zunge fallen. Er wollte und mußte es als erster probieren, um allen Magiern zu beweisen, daß der MAD jetzt unschlagbar war. Der Kommandant wäre stolz, sehr stolz … Wenn er es sehen könnte – leider war kein Linser unter den Zuschauern.
    »Nie mehr wird es den Magiern gelingen, über den MAD zu herrschen!« sagte Zhaminah. Seine Rastafransen wirbelten, und der Spitzbart flatterte. »Die Tage der magischen Vorherrschaft sind gezählt … BOOOOOOOAAAAAAEEEYYY!« Er hob gut drei Zoll vom Boden ab, als sein erster Thaumaglobin-Kick einsetzte. »Und wenn der MAD die Macht besitzt, dann herrschen wir!« Sein Haar knisterte und versprühte blaublitzende Funken, sein Organismus versuchte, das zugeführte Thaumaglobin zu absorbieren. Zhaminah nahm noch ein Tröpfchen, wackelte mit den Fingern und versuchte angestrengt, ganz ruhig zu bleiben und sich zu konzentrieren. Jetzt war es soweit, jetzt wollte er seinen ersten Zauberspruch sprechen. Weiß der Himmel, wie lange er dafür geprobt hatte, wie viele einsame Jahre er in seinem Baumhaus im Goldenen Dreieck verbracht hatte, um diesen Text immer und immer wieder zu sprechen und einzuüben – zurückgezogen, allein, ohne Publikum und insbesondere auch ohne einen Funken jener thaumaren Macht, die erforderlich war, damit ein Zauberspruch wirksam werden konnte. Seine Leber vibrierte im heißen Rhythmus einer Mambo, die Milz wiegte sich im Tangoschritt, und die Bauchspeicheldrüse versuchte es im Dreivierteltakt.
    Wie gebannt starrte die Menge Zhaminah an, der in einem fort die Fäuste ballte, wieder öffnete und wieder ballte, der die Lippen bewegte und schließlich einen monotonen Singsang anstimmte. Ein Wirbelsturm himmelblauer Funken fegte ihm knatternd und prasselnd die Arme entlang, es sah beinahe so aus, als wäre er an eine Starkstromleitung angeschlossen. Die Menge wich furchtsam zurück. Zhaminah rezitierte die entscheidende Textstelle, knirschte mit den Zähnen und zuckte zum Abschluß routiniert die Achseln. Es krachte, blitzte, und wo eben noch nichts gewesen war, schwebte plötzlich ein glänzendschwarzer zylindrischer Gegenstand in der Luft. Das Ding formte sich zu einer Röhre, wölbte sich an einem Ende auf und setzte eine Krempe an, und dann – eingeleitet von einem unnötigen pyrotechnischen Spektakel – wurde es plötzlich lebendig im Zylinder.
    Zhaminah schrie vor theurgischer Begeisterung, zog ein Karnickel aus dem Hut und präsentierte es der applaudierenden Menge.
    Meyer Khulpa ruckelte nervös auf seinem Stuhl herum, stand stillschweigend auf und machte sich davon.
    »Seht ihr!« schrie der MAD-Agent. »So einfach geht das. Ha! Und jetzt, für meine nächste Nummer, brauche ich …« Er machte kehrt, riß das Ablaufröhrchen vom Hextirpator und goß sich den Inhalt hinter die Binde.
    Die Menge war verwirrt. Trotzdem: Sie applaudierte.
    Es war, als hätte das Orchester, das für Zhaminahs Organe zum Tanz aufspielte, urplötzlich das Tempo verdreifacht. Der Agent schrie: Mehrere hundert Millithaum brausten jetzt durch seinen Körper, die Leber vibrierte wie verrückt, und die Milz wünschte sich sehnlichst einen Tangopartner, den sie in rasender tänzerischer Leidenschaft hätte herumwirbeln können. Die freigesetzte Thaumarenergie fuhr fauchend wie ein Feuerwerk aus Zhaminahs Augenbrauen und spritzte ihm funkensprühend aus den Fingerspitzen.
    »Ha! Und jetzt, für meine nächste … Nummer … brauche ich … ou-ha!« Zhaminahs Eingeweide fuhrwerkten wie wild. Er hickste und blies fauchend eine purpurrote Stichflamme zwanzig Fuß hoch in die Luft. Und in dem Moment, als die Milz der Versuchung unterlag und rasend vor Leidenschaft die Bauchspeicheldrüse an sich riß, genau in diesem Moment ertönte laut und schrill der Pfiff einer Trillerpfeife – unverkennbar das Geräusch einer Signalpfeife des Typs 08/15, mit der jeder Wachtmeister des Amtes für Natürliche Ordnung ausgerüstet war.
    Ryffel zeigte starr und unerschütterlich auf die wuschelköpfige füllige Gestalt von Quintzi Cohatl und schrie: »Festnehmen! Das ist der Mörder!«
    Und schon knüppelte er sich einen Weg durch die Menge frei.
    Der Meister der Self-fulfilling Prophecy spuckte Gift und Galle. Es war eine Unverschämtheit: Die

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