Die Nanowichte
dir nichts auf Montage ins Ausland zu schicken? Wir hätten gefragt werden müssen!« schrie der, der auf den Namen Skarg’l hörte, kämpferisch. »Das ist nicht zulässig, Kollegen, für mich ist das Sklaverei. Ein Einsatz zur Auswärtsmontage hätte mit einem ordnungsgemäß unterzeichneten Auftragsformular in dreifacher Ausführung beantragt werden müssen, hätte dann nach einem Zeitraum von etwa …«
»Ach, hör doch auf! Die halten sich doch nie an die Vorschriften!« maulte Udio. »Wie oft hast du schon so ein Montageauftragsformular zu Gesicht bekommen, hä? Ich, wenn überhaupt, nur alle Jubeljahre mal. Die kommen mit ihrer Spritze an und saugen dich, ohne lange zu fragen, einfach ab! Und schon zischt du irgendwo rum und zerbrichst dir den Kopf, was du eigentlich reparieren sollst. Wie oft ich schon von einer Sekunde auf die andere in einem Zwanzig-Gigathaum-Strömungsfeld gelandet bin und keine Ahnung hatte, was ich da erledigen sollte, das geht auf keine Kuhhaut!«
»Ressourcenverschwendung!« schrie Skarg’l. »Typisch. Inkompetente Informationspolitik an allen Ecken und Enden. Und wem schiebt man die Schuld in die Schuhe, wenn was schiefgeht?«
Nimlet und Udio sahen Skarg’l an und warteten darauf, daß er seine Frage selbst beantwortete. Hätten sie es getan, dann wäre er (eigentlich eine ganz reizvolle Vorstellung) an die Decke gegangen. Er war nicht umsonst Spitzenfunktionär der Gewerkschaft Amalgam, er wußte genau, wie man einen militanten Haufen rhetorisch in Stimmung brachte.
»Wem schiebt man die Schuld in die Schuhe, Kollegen? Ich will es euch sagen: uns!« schrie er und hätte demonstrativ und energisch mit der Faust den Tisch gehauen, wenn er das für die Durchführung eines derartigen Manövers Erforderliche (Faust und Tisch) zur Verfügung gehabt hätte.
Quintzi hing, den Kopf in die Hände gestützt, im Stuhl und knurrte zornig. Die beiden hastig geleerten Flaschen Wein stiegen ihm ohne Umwege direkt ins Hirn. Er schäumte vor Wut und überlegte, was er Miesly antun wollte – am liebsten gleich und auf der Stelle antun wollte. Es war alles ganz allein Mieslys Schuld, er hatte diese ganze Misere verursacht. »Der Teufel soll ihn holen!« fauchte Quintzi. »Wenn er mir den Preis gelassen hätte, oder wenn er mich, so wie’s mir zugestanden hätte, vor drei Jahren befördert hätte, dann hätt ich mit diesen verdammten Avocados nix zu tun gehabt, und den blöden Preis hätt’ ich auch noch. Da drüben hätt ich ihn hingestellt, genau da drüben auf dem Kaminsims stände er jetzt, auf Hochglanz poliert und …«
»Och, mir ist das egal, wenn man uns die Schuld gibt«, sinnierte Udio im Pergament. »Ich denke, man darf nicht zu viel verlangen. Immerhin gibt es jetzt wieder Reparaturarbeit für uns. Ich bin heilfroh, daß wir die Schicht in dieser blöden Kristallkugel hinter uns haben. Ich wär sonst noch wahnsinnig geworden …«
»Schicht? Zu mir hat kein Mensch was von Schicht gesagt«, platzte Skarg’l verstört heraus. Er wirkte plötzlich nervös, deutlich nervöser als sonst.
»Entwürdigend war das«, redete Udio weiter und tat sein Bestes, um den Spitzenfunktionär der Amalgam nicht zum Zug kommen zu lassen. »Welcher Nanowicht, der auch nur ein bißchen Selbstachtung hat, will schon gern in ein chronoperatisch-televisionäres Feld eingepfercht sein und für jeden Hanswursten, der hundert Silbergroschen übrig hat, den Deppen spielen? Schaut euch doch nur mal diesen Knaben da an! Interessiert sich für Kamelrennen! Dann schon lieber jeden Tag einen handfesten Maschinenschaden! Oder was meinst du, Nimlet?«
»Hä?« summte Nimlet zerstreut. Er war immer noch nicht dahintergekommen, warum ihm ›Axolotl‹ so bekannt vorkam. Wo hatte er bloß schon einmal davon gehört?
»Oder wie wär’s mit einer anständigen Elektronen-Reorganisation, hmmm?« Udio ließ nicht locker. »Oder eine kaputte Schicksalsröhre: Geht nix drüber! Und wenn Praxx jetzt mit seinem blöden Toaster ankäme, nicht mal da hätt ich momentan was dagegen …«
»Kollegen!« rief Skarg’l. »Nachdem ich mir eure wichtigen und wertvollen Ausführungen angehört habe, ist mir klar geworden, daß wir es wieder einmal mit einem Komplott der Geschäftsleitung zu tun haben: Das Management unterläuft die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen, die wir im gemeinsamen Kampf errungen und durchgesetzt haben.«
»Hä?«
»Das ist ein Skandal! Nichts anderes! Kollegen: Ist irgendwo in euren Arbeitsverträgen
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