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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Schau! Er empfing tatsächlich Nachrichten aus der Zukunft! Schreiend stürzte er an den Schrank mit dem Vielprozentigen und hebelte mit den Zähnen den Korken aus einer Flasche Likörwein (rot). Erst als die Flasche zur Hälfte geleert war, wagte er es, die Augen wieder aufzuschlagen.
    Kein Zweifel, die Sonnenstäubchen gab es wirklich. Sie tänzelten ihm in geschlossener Formation und geradezu lästig etwa einen halben Zoll vor der Nase herum.
    »Haut ab!« schrie er, zutiefst verbittert über die herzlose Grausamkeit des Schicksals. Warum passierte das alles erst jetzt? Warum war es nicht schon ein wenig früher geschehen? Vor fünfzig Jahren zum Beispiel oder zu einer Zeit, als noch Aussicht auf eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit bestanden hatte? Er setzte die Weinflasche an den Mund und machte sich daran, den Rest wegzuputzen. »Laßt mich in Ruhe!«
    Die Pünktchen verwehrten sich aufs entschiedenste gegen dieses Ansinnen und rauschten zur Seite.
    »Es gibt euch doch gar nicht!« hielt er ihnen vor und zog der nächsten Flasche den Korken aus dem Hals. »Überhaupt nicht möglich, daß Lichtpünktchen Sprache verstehen! Ihr seid doch nur eine Halluzination!«
    Das war – einem der Sonnenstäubchen zumindest – zuviel. Es scherte aus der Formation aus und tauchte zum Fußboden hin ab. Verschüchtert sah Quintzi, wie es auf einen Pergamentfetzen neben dem umgeworfenen und ausgelaufenen Tintenfaß lossauste. Ohne zu bremsen, flitzte es auf die schwarze Pfütze zu: Ein winziger Spritzer, und schon war es verschwunden.
    Quintzi hielt sich schlürfend an sein alkoholisches Vademecum.
    Dann geschahen merkwürdige Dinge. Ohne daß Quintzi etwas davon bemerkt hätte, taten sich im Innersten des Pergaments mikroskopisch kleine Kanäle auf, der Lichtpunkt zerlegte und veränderte auf teuflisch raffinierte Art und Weise die komplette Faserstruktur. Und jetzt stürzten – unisono und ganz so, als wäre ihnen plötzlich aufgegangen, was da passierte – auch die beiden anderen Lichtpünktchen los und verschwanden in der Tinte.
    Quintzi rieb sich ungläubig die Augen: Wie aus eigenem Antrieb trat Tinte aus dem Pergament und formte Buchstaben. Er nahm einen anständigen Schluck und las: »Wer sagt das?«
    »Wer sagt was?« stotterte Quintzi.
    Die Buchstaben wanden und schlängelten sich und hatten im Nu den Satz »Wer sagt, daß wir Sprache nicht verstehen, he?« gebildet.
    Quintzi zitterte hysterisch. »Äh … ich«, lallte er. »Ist doch bekannt, daß Sonnenstäubchen Analphabeten sind.«
    Wieder schlängelten sich die Buchstaben über das Pergament, verwandelten sich diesmal noch schneller und rieben ihm den Satz »Hältst du das vielleicht für das Gekrakel eines Analphabeten, Blödmann?« unter die Nase.
    »Ich, also …«, jammerte Quintzi und leerte zur Beruhigung der Nerven die zweite Flasche. »Was wollt ihr denn eigentlich?«
    Die drei Nanowichte, die tief drinnen im Pergament steckten, waren wie vor den Kopf geschlagen. Was sie wollten? Noch nie hatte ihnen jemand diese Frage gestellt. Sonst hatte das immer nur ›Kümmert euch um das, bringt jenes in Ordnung, und wenn ihr damit fertig seid: Das Thaumatron da drüben hat jetzt fünftausend Zaubersprüche drauf, die Inspektion ist fällig‹ geheißen.
    Verdutzt berieten sie eine Zeitlang, einigten sich schließlich und änderten die tintige Buchstabenfolge: »Wo sind wir hier?«
    »Äh … Wühlechsengasse«, antwortete Quintzi, dem es jetzt, da der Alkohol allmählich wirkte und sein Gehirn lahmlegte, wieder ein bißchen besser ging. »Wühlechsengasse, Hausnummer einunddreißig.«
    »Wo?«
    »Ach so! Axolotl. Im Gagalaya«, präzisierte er beflissen.
    Die Tinte formte ein Ausrufezeichen und rührte sich nicht mehr.
    Quintzi starrte es eine ganze Weile an. »Wühlechsengasse«, brummte er vor sich hin. »Aber wie lange noch? Wie soll ich die Miete zahlen, wenn ich Miesly den Avocadovorrat für ein ganzes Jahr ersetzen muß?« Miesly! Der Teufel soll ihn holen! Wie oft hatte er Quintzis Beförderung verhindert! Und jetzt das … Es war ein abgekartetes Spiel, eine Verschwörung! Hatte Miesly die Scheuern möglicherweise selbst abgefackelt?
    Im Innern des Pergaments meldete sich der Nanowicht zu Wort, der sich Nimlet nannte.
    »Verstehe. Hab doch gleich gewußt, daß es nicht Losa Llamas ist«, verkündete er triumphierend. Und dann sagte er nachdenklich: »Axolotl … Warum kommt mir das bloß so bekannt vor?«
    »Was gibt ihnen das Recht, uns so mir nichts,

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