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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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zappelnd unter dem Badetuch und flatterte verzweifelt.
    Erst als sich der kristalline Hagelschauer gelegt hatte, riskierte Quintzi einen vorsichtigen Blick über die Stuhllehne. Das Zimmer glich einem Katastrophengebiet: Vorhänge und Kissen waren irreparabel zerfetzt, Sonnenblumenkerne und Polstermaterial quollen aus dem Sofa, in die Regale waren tiefe Furchen und Kerben gekratzt, und in die Wände hatten sich Splitter und glitzernde Partikelchen gebohrt.
    So grauenerregend und erschütternd dieser Anblick auch war, so groß das finanzielle Desaster auch sein mochte, das der Verlust der Kugel bedeutete, den schlimmsten Schock erlebte Quintzi, als er die drei seltsam schimmernden Pünktchen sah, die über diesem Trümmerfeld in der Luft schwebten.
    Tiemecx krauchte mühsam unter dem Handtuch heraus, sah sich kurz um und verkroch sich umgehend wieder. Vielleicht sollte er sich totstellen, vielleicht würde ihm Quintzi dann verzeihen … Er hoffte vergebens. Zitternd flatterte er aus dem Fenster.
     
    Quintzi hing die Kinnlade bis auf die Brust herab, er mühte sich verzweifelt, mit dem Anblick, der sich ihm bot, wenigstens annähernd fertig zu werden. Unmöglich zu sagen, wie lange er so herumstand.
    Daß eine unerwartete Explosion mit einem Ausstoß von einer Million rasiermesserscharfer Kristallscherben sein gesamtes Mobiliar ruiniert hatte, damit hätte er sich – Zeit und unbegrenzte Liquidität einmal vorausgesetzt – vielleicht noch abfinden können. Und wenn ihn nichts anderes in Angst und Schrecken versetzt hätte als nur dieses Schlachtfeld, das er vor sich sah, dann hätte er wahrscheinlich auch nicht wie ein Volldepp in der Gegend herumgestanden. Nur war dem leider nicht so. Es gab da noch etwas, und er – er machte tatsächlich einen eher beschränkten Eindruck.
    Das eigentliche, das wirklich große Problem waren diese drei durch die Luft schwirrenden grünlichen Lichtpünktchen.
    Er hatte keinen, auch nicht den blassesten Schimmer, woher sie gekommen waren und was sie wollten. Sie flitzten in einer winzigen Kugel aus Luft hin und her, ohne Plan und Ziel, wie es schien, und ganz so, als wären sie allein auf der Welt.
    Die Idee, auf die Quintzi zunächst verfiel – die Idee, mit offenen Armen, so wie es in aller Welt als Zeichen eines freundschaftlichen Empfangs verstanden wurde, vor sie hinzutreten und ihnen die Bitte ›Laßt mich euer Führer sein‹ vorzutragen –, diese Idee wurde, kaum daß sie geboren war, lautstark niedergebrüllt und als die denkbar blödeste aller taktlos anmaßenden Ideen abgewertet. Wer sagt dir denn, daß sie einen Führer brauchen? hielt er sich vor. Ich meine, winzige grüne Lichtpünktchen haben wie alle anderen Geschöpfe das Recht, eine herrschaftsfreie, demokratische Gesellschaft zu bilden.
    Schon wollte er versuchen, seine Frage umzuformulieren und sich mit den Worten ›Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn einer von Ihnen, vielleicht auch mehrere, die Freundlichkeit besäße oder besäßen, mich zu dem von Ihnen demokratisch gewählten Repräsentanten zu bringen, sobald Ihnen das möglich ist, und wenn es keine Umstände macht, bitte …‹ an sie zu wenden, als ihm blitzartig die Erleuchtung kam.
    Warum fiel es ihm erst jetzt ein? Nach allem, was er immer wieder einmal von seinen begnadeteren Kollegen gehört hatte, die von blitzenden Lichtern zu berichten wußten, von Stimmen, die sie im Augenblick der Vorausschau hörten … War es das? War es möglich, daß der Streß, den er heute erlebt hatte, seine erste echte Vision ausgelöst hatte? Jetzt, nach all den Jahren der Stille?
    Voll ehrfürchtiger Scheu sah Quintzi, daß die grünen Lichtpünktchen, die während der letzten Minuten ihre Umlaufbahn immer weiter gezogen hatten, plötzlich aus der Formation ausbrachen und in alle Himmelsrichtungen davonsausten. Sie flitzten im Zimmer herum, zischten unter die Stühle, schwirrten tollkühn in Schränke und wieder heraus, fegten durch den dünnen Besatz, den Quintzi noch auf dem Kopf hatte, jagten schließlich auf einen zentralen Punkt zu und konferierten dort summend und brummend und mit einer Lautstärke, die weit jenseits der Schwelle des menschlichen Hörvermögens lag.
    »Du hast recht«, summte das eine Pünktchen. »Keine Spur mehr von Abschirmfeld. Schlicht und einfach … kaputt.«
    »Also, Kollegen«, sagte das andere, »da keine anders lautenden Anweisungen vorliegen, schlage ich vor, umgehend mit den Reparaturarbeiten an besagtem Abschirmfeld

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