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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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schwankte erst noch und stürzte dann ein. Eine riesige dicke Staubwolke stieg zum Himmel, Funken flogen, als Nägelköpfe gegen Krageisen schlugen. Die Molotowmelonen explodierten, die Menge stob fluchtartig auseinander. Ohrenbetäubender Detonationslärm schallte aus der Scheune, die zundertrockene angstarktische Kiefer brannte im Nu lichterloh auf. Blau loderten die Flammen und purpurrot, der ganze Bau lohte und flackerte wie ein rauchender Feuerball.
    »Hab’s dir doch gesagt«, meinte Quintzi mit zittriger Stimme, als Miesly mit brennendem Kittel an ihm vorbei und in den nächsten Pferdetrog stürzte.
    Und dann nahm Quintzi alles, was er noch an Respektabilität aufbringen konnte, zusammen, drehte sich um und wankte auf wackligen Beinen zum Tor hinaus, bevor irgend jemand, möglicherweise sogar er selbst, anfangen konnte, Fragen zu stellen, wenn der erste Schock einmal überstanden war. Genau in diesem Augenblick zuckelte ein Karren auf den Schauplatz, ein Gefährt, das mit einer wild bimmelnden Glocke bestückt war und vom einem Esel gezogen wurde, der unsäglich gelangweilt wirkte.
    »Scheiße!« schrie ›Minimax‹ Plansch und blickte von seinem einsamen Wasserkübel auf das rasende, allesverschlingende Flammeninferno. »Verdammt! Verdammt! Zu spät! Seit gut vierzig Jahren mach ich jetzt Feuervorhersage und bin noch kein einziges Mal zu spät gekommen! Bis jetzt!« Schluchzend hockte er in seinem Karren.
    Ganz Axolotl fing jetzt an, sich das Maul zu zerreißen. Die Wellen der Erschütterung kräuselten die stille See des Alltags, und ein gewisses Nanotrio tollte ausgelassen herum, tobte wie wild durch die Gegend und hüpfte und tanzte vor Freude. Alles war perfekt gelaufen, absolut perfekt! Es war einfach phantastisch, wenn man jemandem einen Wunsch erfüllen konnte!

 
II
VON MOLOTOWMELONEN UND MAGISCHEN PILZEN
     
     
    Überall in Axolotl wurden Nasen an Fensterscheiben gedrückt, wurde mit Fingern gezeigt, blieben beim Anblick der Flammen, die von der Melonenscheuer hoch zum Himmel schlugen, unzählige Münder vor Entsetzen weit offen. Überall in der Brückenechsenstraße wurden Türen aufgerissen, ungezählte sensationslüsterne Schaulustige rannten schleunigst an den Ort des feurigen Geschehens, schüttelten fassungslos die Köpfe und rätselten, ob das nun Zeichen dafür war, daß der Untergang der ganzen Stadt bevorstand.
    Noch nie hatte es einen Vorfall dieser Art gegeben. Wenn man vom normalen Hausbrand (eine ungenaue und eher etwas unglückliche Bezeichnung!), von festlichen Freudenfeuern oder den zum Zwecke der Feuerbestattung entzündeten Scheiterhaufen einmal absah, dann gab es in ganz Axolotl nichts, was Feuer hätte fangen können. Daß dem so war, dafür sorgte – mit prophetischer Weitsicht, unterstützt von seinem lethargischen Esel und mit einem einzigen, aber zuverlässigen ledernen Wasserkübel bewehrt – Minimax Plansch. Vier- oder fünfmal am Tag verspürte er jenen seltsamen Kitzel in der Nase, jenes unheimliche Zittern der Nasenhärchen, das ihm anzeigte, daß irgendwo Feuer ausbrechen wollte. Und jedesmal sprang er dann in seinen Karren, zockelte durch die staubigen Straßen und stand immer schon bereit, bevor ein leichtsinnig verstreutes Stückchen glühender Pfeifenasche einen Pergamentstapel oder ein durch eine Glasscherbe gebündelter Sonnenstrahl einen zundertrockenen Strohhaufen in einem Hinterhof hätte entzünden können. Ein gezielter Guß aus dem Wasserkübel, und schon war die Katastrophe verhindert.
    Aber jetzt … Vermutlich wären einige Millionen Liter Wasser nötig gewesen, um diese Scheune zu löschen. Minimax schüttelte verzweifelt den Kopf. Er spürte die anklagenden Blicke, die von hinten auf ihn gerichtet waren: Sie waren so heiß wie die züngelnden Flammen, die turmhoch zum Himmel schlugen, sie brannten sich in die Haut ein wie die sengende Sprühflüssigkeit, die einundzwanzig salutschießende, detonierende Molotowmelonen in alle Himmelsrichtungen verspritzten. War das das Ende? Mußte er jetzt die Schildkappe des Feuermelderdienstes abgeben, die er so stolz getragen hatte? Mußte er sich fortan mit seinem Esel das Gnadenbrot teilen …? Doch plötzlich grinste er wieder; plötzlich spürte er es wieder, dieses prickelnde Kitzeln in den Nasenlöchern. Entweder war ihm gerade ein Teelöffel voll feinstem schwarzen Pfeffer in die Nase geraten, oder …
    Er fuhr herum kämpfte und drängelte sich durch die Menge. Schnappte sich schnell noch seinen

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