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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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hatte, starrte ganz Axolotl jetzt entweder den eiligst davonbretternden Unfall- und Katastrophenvorhersehern hinterher oder in das immer noch munter flackernde Melonenlagerfeuer.
    Nur einer nicht: Der, der alles gesehen hatte und alles nicht glauben wollte, der, der für alles verantwortlich war.
    Quintzi kraxelte die Treppen zu seiner Wohnung hinauf, riß die Tür auf, stand zitternd in seinem mit Trümmern übersäten Zimmer und schrie – ob vor Entsetzen oder vor purer, unverfälschter Rachelust, das wußte er selbst nicht so genau. Nur eine Sekunde später flitzten drei grüne Lichtpünktchen durch den Türspalt ins Zimmer, formierten sich zum geordneten Geschwaderflug und schwebten über einem Blatt der Skorpionpflanze in der Luft.
    »Was ist bloß geschehen?« schrie Quintzi sich selbst an. Es war ein Versuch, mit dem Faktum zurechtzukommen, daß er zum ersten Mal nach vierzig Jahren tatsächlich etwas vorhergesagt hatte.
    Tiemecx, der auf seinem Sonnenplätzchen im Regal hockte, zuckte die gefiederten Achseln und wartete auf einen Sonnenblumenkern. Er wartete umsonst. Quintzi trieb unerreichbar im wirbelnden Sog der Gedanken, die sich in seinem Kopf überschlugen. Seine Vision hatte eingesetzt, ohne daß sie sich angekündigt hätte … Er hatte jedenfalls nichts Besonderes bemerkt. Hatte zum Beispiel jenes ›Beben‹ nicht gespürt, von dem immer so viele berichtet hatten, er hatte einfach … hatte nur … Stimmen gehört. Ach ja, und war … und hatte sich in einem Zustand befunden, als hätte er drei Flaschen von diesem infamen axolotischen Likörwein (rot) getrunken. Aber dafür gab es einen Grund, das ließ sich erklären.
    Aber die Stimmen …? Sie hatten ihn unmißverständlich dazu aufgefordert, auf die Scheune zu zeigen und zu behaupten, sie werde in drei Minuten in Trümmern liegen.
    Die Nanowichte, die mittlerweile im Innern des Blattes steckten, zwinkerten sich zu. Dann fingen sie an herumzuspringen, erzeugten kaum wahrnehmbare Impulse und komprimierten und verdichteten damit die Luft in einer Weise, die exakt dem Schwingungsphänomen der Lautsprache glich.
    »Was habe ich bloß getan?« fragte der Prophet flehentlich und ohne seine Frage an jemand Bestimmten zu richten.
    Wieder zuckte Tiemecx die Achseln und blickte wehmütig auf seinen Futternapf.
    »Ein wenig Aufsehen erregt«, sagte die Pflanze plötzlich.
    Quintzi fuhr herum und starrte das spitzblättrige Grünzeug an. Die Stimmen! Da waren sie wieder! War das möglicherweise die nächste Vision? So schnell schon? »Wer? Ich? Aber ich habe doch gar nichts gemacht …!« verteidigte er sich stotternd. Und wunderte sich nur ein wenig, warum diese Vision so absolut zeitbezogen war. So vollkommen unfuturistisch.
    »Ach nein? Gar nichts gemacht, he?« Die Stimme triefte geradezu vor Sarkasmus. Und das war etwas, das Quintzi aufs höchste verunsicherte: Visionäre Stimmen kämen ihm ganz bestimmt nicht sarkastisch! »Wirklich gar nichts gemacht, he?« fragte die Stimme wieder. »Hast bloß auf die beste Scheune von ganz Axolotl gezeigt und laut hinausposaunt, sie werde zusammenkrachen. In drei Minuten. Und dann der Countdown – du erinnerst dich doch?« Die Nanowichte sprangen ausgelassen in ihrem Blatt hin und her. Sie waren begeistert: Zum ersten Mal in ihrem kurzen Leben hatten sie ganze Arbeit geleistet! Noch nie hatte es ihnen soviel Spaß gemacht, eine Anweisung auszuführen. Na gut, ein defektes Thaumatron wieder hinkriegen – klar war das was, worauf man stolz sein konnte! Aber was den Spaß anging … Überhaupt kein Vergleich mit der Demontage einer kompletten Scheune!
    »Aber ich habe doch wirklich nichts gemacht …«, protestierte Quintzi lahm.
    »Das sieht man in Axolotl aber ganz anders!« sagte die nanowichtig aktivierte Pflanze. »Ein paar von denen da draußen meinen schon, du hättest einen Sabotageakt …«
    »Das ist doch nicht euer Ernst! Wie könnt ihr so was bloß denken? Ich habe nichts …«
    »Und wie war das gestern abend? Wirklich alles schon wieder vergessen? So schnell vergessen, hmmmmm?« glucksten die Nanowichte beim Gedanken an Quintzis alkoholisiertes Endlosgeschwafel in der vergangenen Nacht.
    »Nun … äh … ich …«
    »Rache!« schrie die Pflanze und raschelte wild. »Man sagt, daß du die Bude in die Luft gejagt hast! Ja, du! Nur weil du irgendsoeinen blöden Preis nicht bekommen hast.« Die Pflanze entrollte ein aufgewickeltes Blättchen und zeigte mit der Spitze anklagend auf Quintzi – Nimlet trug

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