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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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daß die Zukunft alles andere als rosig war.
    In einer solchen Situation konnte man nur noch eines tun: sich in den Schmollwinkel zurückziehen.
    Und als er jetzt niedergeschlagen die Hände in die Hosentaschen steckte, da fand er dort durch Zufall (durch einen Zufall jener Sorte, von dem er bisher immer nur gelesen hatte) ein großes Blatt Pergament und einen einsamen Silbergroschen. Neugierig zog er das Pergament aus der Tasche, strich es glatt und las ungläubig:
     
    Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, daß bei der Verwendung der Colorkristallkugel Haruspex, einem Produkt von O’Racle Systems Inc., Probleme auftreten, unternehmen Sie auf keinen Fall den Versuch, uns in unserer Hauptniederlassung aufsuchen zu wollen! Wir werden ganz bestimmt nicht da sein!
     
    Und in der letzten Zeile, ganz unten auf dem Blatt stand, mikroskopisch kleingedruckt, eine Adresse: Leimergasse 21-21b, Guldenburg.
    »Tschulligung?« fragte Quintzi und stocherte im Ohr herum. »Weiß einer von euch Burschen vielleicht, wo Guldenburg ist?«
     
    In einer unterirdischen Höhle, die abgrundtief unter dem labyrinthisch verwucherten Wurzelwerk eines undurchdringlichen Waldes lag, wetzte ein stämmig gebauter Mensch eine feingeschwungene Klinge. Zwei dunkle Augen funkelten unter einem Paar beeindruckend buschiger Brauen, konzentriert schliff der Dicke das zwölf Zoll lange Messer, er bebte vor Begeisterung, wenn der Wetzstein kreischend über die unheilvoll blinkende gekrümmte Schneide raspelte.
    Die rohen Mauern, die ihn umgaben, waren fugenlos mit Regalen bestückt, die sich ächzend unter der Last unzähliger staubbedeckter Folianten und gelehrter Kompendien bogen, die bis oben hin vollgestopft waren mit einer Kollektion konservierter, längst schon ausgestorbener Kreaturen, auf denen eine Unmenge jener arbeitsparenden technischen Kinkerlitzchen herumstand, auf die zu verzichten kein fortschrittsbewußter moderner Magus sich leisten kann.
    Hinter der an der Wand befestigten Plättmaschine für Mäntel und Umhänge und dem dampfgetriebenen Hutformer ratterte, surrte und blubberte ein thaumarer Stiefelputzer, schaltete eben auf die Programmwahlstufe Intensivreinigung und Einlegesohlendesodorierung um und putzte mit geradezu beängstigender Betriebsamkeit das Leinengewebe in den Sohlen von zwei ganz besonders hartnäckig verschmutzten Schuhen porentief rein. Es war immer wieder faszinierend, das Gerät arbeiten zu sehen: Es hatte die Eleganz und Effizienz einer Symphonie, die Rasanz und Perfektion einer großen Oper, es war – mit einem Wort – ein Meisterwerk unverfälschter technischer Hexerei. Und außerdem eine hochprofitable Angelegenheit für den Magus, der dieses Wunder der Technik kreiert hatte.
    Das regelmäßige Geraspel des Schleifsteins hörte auf, der Magus wischte die Klinge ab, schnappte sich schwungvoll das Opfer des heutigen Morgens und gluckste selbstsüchtig. Was er jetzt vorhatte … Er hätte es eigentlich nicht tun sollen, es war nicht gut für ihn, es war … Ach, hol’s der Henker! Was war ihm denn sonst schon an Freuden geblieben?
    Seine Zungenspitze zappelte aufgeregt im Mundwinkel auf und ab, seine Knubbelfinger packten das Opfer, er schwang das Messer mit todbringender Präzision und spaltete das Ding glatt in zwei Hälften.
    Er warf die Relikte in ein eigenartiges Silberkästchen, in das zwei schmale, parallel angelegte Schächte eingelassen waren, zeichnete mit den Händen eine Reihe hochkomplizierter Muster und Zeichen in die Luft, drückte einen kurzen Hebel und trat dann zurück … Im Innern des Kästchens leuchtete ein feuerrotes Glühen auf.
    Aufgeregt machte er auf den Pantoffelabsätzen kehrt, riß einen Wandschrank auf und holte, um auf den Empfang der verkohlten Opfergaben vorbereitet zu sein, ein Glas heraus, das das für diesen Zweck unbedingt erforderliche Remedium enthielt. Rauchfahnen stiegen quirlend aus den glühenden Schächten auf, der Magier umhüllte die Hände mit schützenden Tüchern.
    Und dann erlosch mit einem Geräusch, das dem einer sich lösenden Sprungfeder ähnelte, das rotflammende Inferno und katapultierte zwei verbrannte, rauchende Scheiben himmelwärts. Sie sausten an die Zimmerdecke, prallten ab und landeten im Sturzflug auf dem Teller des Magus, wo sie für immer in tausend rußschwarze Brocken zersprangen.
    Der Magus starrte auf die verkohlten Trümmer und fauchte vor Wut. Sein Rosinenbrötchen! Dieser verdammte Toaster hatte schon wieder sein Rosinenbrötchen

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