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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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Verhalten oberflächlich ein anderes geworden ist. Unterm Strich bleibt das Elend gleich, es wechselt nur seine Form.
    Die Regulation durch Kompensationsbemühungen und Ersatzbefriedigung will vor allem das Wiederauftreten der Symptomatik des frühen Schmerzes verhindern. Deshalb bedeutet jedes Nachlassen der Abwehrkräfte, wie es etwa durch Enttäuschung, durch Erschöpfung, durch Krankheit und Berentung, durch Verluste und Trennungen geschehen kann, ein hohes Risiko für schwere Krisen, Konflikte und Symptome. Wird dem Narzissten die «Spielwiese» seiner Eitelkeit entzogen, ist er in seinem Überlebenskampf schwer bedroht und sieht sich zu einem raschen Wechsel des «Objekts seiner Begierde» gezwungen. Deshalb ist das Altern mit den bekannten Einschränkungen an Schönheit, Gesundheit, Attraktivität, erotischer Ausstrahlung und sexueller Aktivität für viele eine schwere Belastung und kann von ihnen nicht als ein natürlicher Vorgang gestaltet werden. Da einem Menschen mit narzisstischer Störung die Überzeugung fehlt, dass er grundsätzlich in Ordnung ist und das nicht erst beweisen muss, hat er nicht gelernt, einfach so zu leben, sondern nur, wie er überleben kann. Deshalb erzeugt eine Veränderung oder gar ein Verlust der eigentlichen Überlebensmöglichkeiten eine solche Verunsicherung. Im Grunde steht er mit dem Verlust der Kompensationschancen nackt und selbstunsicher vor der Realität.
    Es ist deshalb immer risikoreich, sein Leben zu verändern, selbst wenn dies notwendig sein sollte. Kommt es aufgrund der angestrebten Verhaltensänderung zu einer wesentlichen Einbuße an narzisstischer Regulation, so bleibt der Versuch erfolglos oder führt bald zu neuen Belastungen und Krisen. Wir wissen inzwischen etwa, dass Diäten meistens das Gegenteil von dem bewirken, was sie verheißen: Sie machen letztlich noch dicker und krank dazu. Neue Forschungen und Erkenntnisse zu Stoffwechselprozessen erklären, weshalb sich der Körper nicht einfach in ein Ernährungskorsett zwingen lässt. wie er diätetische Empfehlungen untergräbt und gezielt gegensteuert. Der Wille kann den Körper nicht einfach besiegen.
    Versteht man allerdings den Willen als einen geistig-körperlichen Vorgang, so müsste die modifizierte Aussage lauten: Ein kranker Körper lässt sich nicht durch einen kranken Willen heilen. Diäten sind an sich schon Symptome einer narzisstischen Illusion, aber höchst profitable Suggestionen in einer narzisstischen Gesellschaft. Der adipöse Körper ist sehr häufig – selbst bei Berücksichtigung genetischer Veranlagung – ein seelischer Schutzmantel durch Fett. Die Körperdicke schützt vor allzu großer Nähe, sowohl in der ästhetisch-erotischen Anziehung als auch unmittelbar körperlich – Fett schafft Distanz. Und mit der Selbstabwertung infolge des Übergewichts und dem ewigen Kampf um die Kilos ist für ständige – aber letztlich sinnlose – Ablenkung vom eigentlichen Leid im «Körperkern» gesorgt. Der Kern ist «wohlverpackt».
    Ernährung und Körpergewicht spielen eine zentrale Rolle bei der narzisstischen Regulation. Es leuchtet auch ein, dass der Mangel an Liebeszufuhr durch Nahrung ersetzt wird, vor allem wenn sie so vielgestaltig, verführerisch lecker und preisgünstig überall zu haben ist, wie es in der westlichen Welt der Fall ist. Nahrung und Alkohol bieten deshalb auch die häufigsten, schnell und leicht zu beschaffenden Ersatzbefriedigungen bei narzisstischer Bedürftigkeit. Wer wirklich abnehmen will, muss nicht beim Essen anfangen und auch nicht mit anstrengenden Bewegungen, sondern bei dem durch narzisstische Defizite verursachten Stress. Solange diese Defizite nicht erkannt und die damit verbundenen Spannungen abgeführt sind, wird man auch nicht abnehmen können. Der Narzissmus nährt sich von Fett.
    Die Zunahme der Adipositas (Fettleibigkeit) ist eine verhältnismäßig sichere Indikation für das zunehmende narzisstische Problem vieler Menschen. Aber auch die besonders Schlanken sind nicht frei von narzisstischer Not. Sie werden zwar häufig ob ihrer Figur bewundert und gelobt, aber die Qual der eingeschränkten Ernährung oder der Fitnesssucht wird dabei zumeist übersehen. Die Schlankheit kann eben auch das Ergebnis eines narzisstischen Ringens um das äußere Erscheinungsbild sein. Das Größenselbst fordert den schlanken Körper, während sich das Größenklein dem Leid der Adipositas ergibt.
    Beim Rauchen geht es ebenfalls um orale Zufuhr, um die Inhalation

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