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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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verständlicherweise Unmut, Enttäuschung und Verweigerung. Frauen fühlen sich dann missbraucht, entwickeln Ekel vor dem Sperma oder dem gesamten Mann, und nicht selten entstehen Beschwerden und Symptome, die als Trockenheit, Penetrationsschmerzen oder auch als chronische vaginale Pilz- und Blaseninfektionen den Koitus erschweren oder unmöglich machen. Solche somatisierten Schwierigkeiten sind im Grunde angemessen, da der Sex vom Mann nicht aus Liebe und nicht einmal aus Triebbedürfnis begehrt wird, sondern seiner narzisstischen Bestätigung dienen soll.
    Erektionsprobleme des Mannes gehen häufig auf Störungen des Größenklein zurück, sind also Folgen des narzisstischen Defizits – nicht berechtigt zu sein, nicht eindringen zu dürfen und in der Frau keine Partnerin erkennen zu können, die für das eigene Lustbedürfnis zur Verfügung steht. Damit bestätigt der Mann im Größenklein einmal mehr seine Wertlosigkeit; sein Versagen ist womöglich aber auch versteckte Aggression gegenüber der Partnerin, indem er die narzisstische Empörung aus dem frühen Muttermangel auf sie überträgt. Das geschieht häufig in Kollusion, wenn die narzisstisch bedürftige Frau den Mann einschüchtert, kränkt oder zu viel von ihm erwartet und damit die Erektions- und Ejakulationsprobleme des Mannes verstärkt. Sie hat sich damit ein erklärbares Ersatzleid geschaffen – «Der Mann kann nicht» – und ihr eigenes frühes Bestätigungsdefizit in die Gegenwart verschoben.
    Größenselbst-Frauen sind gewohnt, allein gut zurechtzukommen, sie können deshalb meistens auch gut masturbieren und sich bevorzugt klitoral befriedigen. Das kann für den Partner zum Problem werden, wenn er sich als nicht gebraucht erlebt und verletzt ist, wenn sie nicht durch sein Glied und seine Bemühungen ausreichend befriedigt wird, sondern «nachhelfen» muss. Einen Mann ohne narzisstische Störung würde das indessen keineswegs kränken, vielmehr hätte er ein gesundes Interesse daran, ihr dabei behilflich zu sein, ohne sein eigenes Befriedigungsbedürfnis zu vernachlässigen. Eine Frau ohne besondere narzisstische Problematik kennt den Weg zu ihrer Lust und weiß den Akt so zu gestalten, dass sie gute orgastische Chancen hat, ohne den Partner zu beschämen.
    Sex verbinden Narzissten häufig mit Sehnsucht: Wir sprechen dann vom sexualisierten süchtigen Sehnen nach früher Liebe. Sex löst ein besonderes Interesse aneinander aus, man muss sich in gewisser Weise füreinander öffnen und auf den anderen einlassen – ein Akt körperlicher und psychischer Intimität. Da liegt es nahe, dass davon häufig eine besondere Erfüllung narzisstischer Bedürftigkeit erwartet wird. Im Sex werden dann Liebesbeweise gesucht; so erwartet man mehr, als möglich ist. Das setzt sich darin fort, dass sexuelle Funktionsstörungen oder Beziehungsprobleme als besondere narzisstische Kränkung und Krise erlebt werden.
    Der narzisstische Sex lebt nicht von einer partnerschaftlichen Beziehung mit empathischer Abstimmung, sondern von Äußerlichkeiten, vom Ambiente des sexuellen Aktes, von Accessoires, vom besonderen Ablauf, der durch verschiedene Techniken und Leistungsorientierung erreicht werden soll. Diese artikuliert sich je nach Art der narzisstischen Problematik als Prahlerei, Dominanz und Forderungen an den Partner bzw. als Unsicherheit, Bedienerei und geschmeidige Anpassung, Unterordnung sowie Erfüllung von Erwartungen. Auf beiden Seiten werden die eigentliche Bedürftigkeit, die Bestätigungssehnsucht und die Beziehungsnähe durch kompensierende Rollen abgewehrt: Hingabe, Loslassen, sich dem anderen Überlassen – alles Merkmale von gutem, nichtnarzisstischem Sex – bedeuten hingegen vorübergehenden Selbstverlust. Doch das wäre für ein narzisstisches Selbst ausgesprochen bedrohlich.

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    20 Narzissmus und Altern
    Joachim Fuchsberger betitelt sein Buch: «Altern ist nichts für Feiglinge». Aus meiner Sicht müsste der Satz lauten: Altern ist nichts für Narzissten! Wobei die Übereinstimmung wohl darin liegt, dass Narzissten «Feiglinge» sind, auch wenn sie gerade das nicht zugeben würden. Während das Größenselbst der Abwehr und Kompensation von Selbstunsicherheit dient, ist im Größenklein die «Feigheit» gleichsam Programm.
    Der Größenselbst-Narzisst lebt von seinem Aussehen, von seinen Leistungen, von den Erfolgen und erarbeiteten Anerkennungen: Er braucht Schönheit, Jugendlichkeit, Schlankheit, Fitness, Gesundheit und erarbeiteten

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