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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Beim Eintreten nahm er artig seinen Hut in die Hand, grüßte laut und blieb sodann in der Mitte des Raumes in leicht gebückter Haltung stehen. Der diensthabende Sicherheitswachebeamte sah beim Eintreten Gotthelfs kurz auf, registrierte, dass dieser nicht den besseren Gesellschaftsschichten angehörte, und ließ den Mann mit dem Papagei auf der Schulter vorerst einmal warten. Mit Genuss und Konzentration setzte der Beamte die Tätigkeit fort, bei der er durch das Eintreten Gotthelfs unterbrochen worden war: Das Auslöffeln eines Menage-Reindels 47 , in dem sich eine nicht näher definierbare, gelblich-braune Flüssigkeit von pappiger Konsistenz befand. Es handelte sich dabei um Einbrennte Erdäpfeln, ein Armeleuteessen, das aus gekochten Erdäpfeln sowie einer dicken, mehligen Einbrenn bestand.
    Endlich hatte der Sicherheitswachebeamte sein Mittagsmahl beendet. Nun wandte er sich dem geduldig in der Mitte des Wachzimmers verharrenden Gotthelf zu. Gönnerhaft fragte er: »Na, wartet er schon lange?«
    Gotthelf räusperte sich und stotterte: »Nein, nein … ich bin gerade … bin erst hereingekommen. Ich hoffe, es hat dem Herrn Inspector geschmeckt?«
    »Danke der Nachfrage. Also warum ist er hergekommen? Hat er was beobachtet? Will er was melden oder anzeigen?«
    »Ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe ein anderes Anliegen … Wenn ich es freundlicherweise vortragen dürfte?«
»Nun rede er schon!«
    »Also gestern Nacht … ist eine Frauensperson am Naschmarkt zu Tode gekommen. Und es könnt’ möglicherweise sein, dass ich sie gekannt habe. Deshalb wüsst’ ich gern ein bisserl was über die Leiche …«
    Während Gotthelf solchermaßen herumstotterte, waren aus dem hofseitigen Verhörzimmer Schläge und Schreie sowie ein schrilles Wimmern, das plötzlich erstarb, zu hören.
»Da schau her … haben wir da vielleicht einen Zeugen der Mordtat?«
    »Um Gottes willen, nein, Herr Inspector! Wie ich schon gesagt hab: Ich interessiere mich nur für die Person, weil ich sie vielleicht gekannt haben könnte …«
    »Also als Erstes: Legitimiere er sich! Ohne dass hier seine Personalien aufgenommen werden, gibt es überhaupt keine Auskünfte. Und zweitens: Im Verhörzimmer hinten wird sowieso gerade ein Verdächtiger in dieser Causa einvernommen. Wenn wir mit dem fertig sind, können wir mit ihm gleich weitermachen.«
    »Bitt schön, Herr Inspector«, jammerte Gotthelf, »hier sind meine Papiere, die mich berechtigen, Planeten – also Horoskope – zu verkaufen. Da stehen auch mein Name und meine Wohnadresse drauf. Bitt schön, Herr Inspektor, schauen Sie sich alles in Ruhe an, fragen Sie mich, was Sie wollen, nur führen Sie mich nicht in das Zimmer dort …«
    Der Sicherheitswachebeamte deutete Gotthelf, näher zu treten, nahm den Gewerbeschein, hielt Gotthelfs Daten schriftlich fest, gab ihm sodann den Schein zurück und fragte nun in väterlichem Ton: »Na, Gotthelf, was willst denn wissen?«
    »Wie ich schon gesagt habe: Mich täte brennend interessieren, wer die Person war, die gestern am Naschmarkt ums Leben gekommen ist.«
    »Also, Gotthelf, Genaues wissen wir auch noch nicht. Folgendes steht aber fest: Sie war jung, aus gutem Haus und ist mit einem Tuch erwürgt worden. Das ist im Moment alles. Und, was sagst du mir jetzt?«
    Gotthelf gab sich innerlich einen Ruck, beherrschte sich eisern und antwortete: »Ah so … Weil, meine Bekannte, mit der ich seit einem Jahr zusammenwohne und die 35 Jahre alt ist, ist gestern Abend nicht heimgekommen. Aber wenn die Ermordete jung und aus gutem Haus ist, dann kann es meine Fini unmöglich gewesen sein.«
    »Na dann ist ja alles in Ordnung …«, murmelte der Sicherheitswachemann. Gotthelf verbeugte sich, wünschte dem Beamten einen schönen Tag und verließ schleunigst das Kommissariat.
     
     

VI/2.
    Schönthal-Schrattenbach konnte diese heißen Sommertage nicht ausstehen. Der freundliche, strahlend blaue Himmel stand in komplettem Gegensatz zu seiner Gemütsverfassung. Deshalb suchte er sich ein dunkles Eck im hintersten Winkel des Café Sperl. Dort schlürfte er seine Melange und betrachtete die restlichen Gäste. Eine Gefühlsregung, die bei ihm selten vorkam, gewann Oberhand. Er beneidete die anderen wegen ihres sorglosen, unbeschwerten Daseins. Ein Leben ohne Bürden, ohne Verpflichtungen und auch ohne diesen verdammten Ehrenkodex, der verlangte, dass man als Ehrenmann seine Spielschulden zu bezahlen hatte. Trübsinnig rührte er in seiner Melange, als

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