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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sein.« Mit einem resoluten Schwung führte Nechyba die Mokkaschale zum Mund, leerte sie in einem Zug, rief: »Herr Ober, zahlen!«, erhob sich ächzend und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Gemma 49 , Herr Baron.«

VIII/2.
    »Ich brauch etwas Handfestes für die Morgenausgabe! Was Konkretes! Tatsachen! Fakten! Kein Gewäsch, keine Lyrik oder Stimmungsreportagen. Das kannst du dir alles sonst wohin stecken. Das interessiert – Pardon – keine Sau!«
    Das schleuderte der leitende Redakteur Lipschütz dem Leo Goldblatt entgegen, weil dieser ihm einen feuilletonartigen Artikel über den Mädchenmord abgeliefert hatte. Nach Durchlesen des Artikels war er in Goldblatts Kammerl gestürmt und hatte die eingangs geschilderte Wortkaskade von sich gegeben.
    Wobei Lipschütz immer darauf achtete, nicht zu schreien. Denn Schreien half nix. Alles, was er wollte, war: Goldblatt in den Hintern zu treten und ihn auf Trab zu bringen. Lipschütz wusste, dass Goldblatt exzellente Kontakte sowohl zur Sicherheitswache als auch zur Sicherheitsdirection hatte. Diese galt es nun spielen zu lassen, um an zurückgehaltene Informationen heranzukommen oder um zumindest einen konkreten Stand der Ermittlungen zu erfahren. Lipschütz wollte Fakten. Und da der Redaktionsschluss unerbittlich näher rückte, musste er Goldblatt mit allen Mitteln motivieren, diese zu beschaffen.
    »Also, Leo, worauf wartest du noch? Heb deinen Hintern vom Sessel und beweg dich. Und zwar schnell! Spätestens um halb acht möchte ich eine vor Tatsachen und Neuigkeiten nur so strotzende Geschichte über den Mord am Naschmarkt auf meinem Schreibtisch haben.«
    Solchermaßen aus den Redaktionsräumlichkeiten hinausgeschmissen, schlenderte Goldblatt in Gedanken versunken Richtung Naschmarkt, da ihm im Moment nichts Gescheiteres einfiel. An einer Trafik vorbeikommend, kaufte er sich eine Schachtel Ägyptische und steckte sich im Weitergehen eine Zigarette an. Dies war insofern bemerkenswert, da Goldblatt nur zu speziellen Anlässen rauchte. Ein solcher Anlass war zum Beispiel Schreib- bzw. Recherchierdruck. Der ungewohnte Tabakgenuss versetzte seinen Kreislauf in einen leichten Taumel. Diese Art von Trance förderte sein assoziatives Denken und hatte meist plötzliche Eingebungen zur Folge.
    Seine Beine steuerten ihn an den Hotels Goldenes Lamm und Stadt Ödenburg vorbei, die von Tramway-Garnituren und Pferdefuhrwerken stark befahrene Wiedner Hauptstraße stadtauswärts. Nunmehr zügig ausschreitend, überquerte er die von links einmündende Favoritenstraße, passierte den Schutzengelbrunnen und die Paulanerkirche. Die nachmittägliche Hitze war beträchtlich. Goldblatt begann, am Kragen zu schwitzen. Schweißperlen bildeten sich auch entlang des Hutrandes an Stirn und Hinterkopf. Er schnipste den Zigarettenstummel weg und registrierte mit Unbehagen die tabakig-teerige Schicht, die seinen Gaumen bedeckte. Sein erster Reflex war, ins nächste Beisl oder Café zu gehen und sich mit einem weißen G’spritzten 50 zu erfrischen. Dann fiel ihm aber der gemütliche, von einer Sonnenplane beschirmte Schanigarten des Café Wortner ein. Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten verweilte er nicht lange im schattigen Garten des Kaffeehauses, sondern trank ruckzuck den G’spritzten aus. Danach überquerte er die Wiedner Hauptstraße, ging ein Stückchen stadteinwärts und bog links in die Fleischmanngasse ein. Wo sich auf Nummer 2 das Bezirkspolizeikommissariat Wieden befand, zu dessen Rayon der Naschmarkt gehörte.
»Grüß Gott, die Herren, Kompliment, Herr Wachtmeister!«
    »Ah, der Herr Redakteur …«, murmelte der diensthabende Sicherheitswachebeamte. Goldblatt lehnte sich zu ihm an die Holzbarriere, die den Besucherraum vom Dienstzimmer trennte und hinter der der Schreibtisch des Beamten stand. Er fischte die Packung Ägyptische aus seiner Sakkoinnentasche, offerierte seinem uniformierten Gegenüber eine Zigarette, die dieser gerne annahm, gab Feuer und zündete sich selber auch eine an. Beide Männer rauchten schweigend. Gerade als Goldblatt die Konversation beginnen wollte, wurde die hintere Tür des Dienstzimmers geöffnet. Goldblatt begann zu strahlen.
»Da schau her. Habe die Ehre, Herr Polizeiagent.«
    Pospischil zuckte ob der vertraulichen Anrede zusammen, fasste sich aber sofort und erwiderte: »Grüß Sie, Herr Redakteur. Was treibt denn Sie hierher auf die Wieden?«
    »Vermutlich dasselbe wie Sie. Der Mädchenmord am Naschmarkt. Sind Sie dienstlich

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