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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sicher, dass du ihn nicht verwechselst?«
    »Ganz sicher, Frau Aurelia. Weil mir ist er ja auch schon auf der offenen Gassen nachgestiegen. Die Bestie. Und dann hat er mich so angefasst, wie es der junge Herr Alphonse hin und wieder tut. Und weil ich laut geschrien hab, ist eine Kutsche stehen geblieben, ein feiner Herr ist herausgesprungen und hat dem Schöberl einen Fußtritt versetzt und ihm gedroht, dass er ihn von seinem Kutscher mit der Reitpeitsche schlagen lässt, wenn er sich nicht sofort schleicht. Der feine Herr war der Graf Borowicz, der hat mich dann ganz lieb getröstet und in der Kutsche heimgeführt. Nachher hat er mir sogar noch eine Krone gegeben …«
    »Eine Krone hat er dir gegeben? Für was denn?«, fragte die Litzelsbergerin streng.
    Mizzi wurde rot und stotterte: »Na ja … er hat mir beim Ordnen, beim Ordnen der Kleider geholfen … Und nachgeschaut hat er auch … ob mir der Schöberl nichts verletzt hat. Weil … weil der Herr Graf studiert Medizin und versteht was davon. Deshalb war ich auch froh, dass er mich in der Droschke untersucht hat … Ganz schlanke, elegante Hände hat er gehabt, der Herr Graf, und wunderbar nach Eau de Lavande hat er gerochen. Ganz, ganz lieb war er zu mir …«
    Die Köchin goss den Saft des gespickten Kalbsschlögels 45 mit Wasser auf und stellte die Kasserolle auf eine mild beheizte Stelle der Herdplatte. Dort musste das Fricandeau nun langsam dünsten. Inzwischen ließ sie in einer Pfanne die Zwiebel in Butter anbraten, gab den ausgeklaubten und mit einem sauberen Tuch abgeriebenen Reis sowie Wasser und Salz hinzu. Danach begann sie, die Selleriesuppe zuzubereiten. Die Topfenschnitte war bereits im Rohr. Zu Mizzis Enthüllungen sagte sie keinen Ton, da sich sowieso jeder Kommentar erübrigte. Was immer in der Droschke des Grafen geschehen war, war geschehen. Und da Mizzi dabei augenscheinlich keinen seelischen Schaden erlitten hatte, ließ die Köchin die Geschichte auf sich beruhen. Keine Ruhe ließ ihr aber dieser Mord. Der stachelte ihre Neugierde an. Um Näheres zu erfahren, beschloss sie, nach dem Mittagessen persönlich auf den Markt zu gehen und sich dort umzuhören. So ein Kapitalverbrechen passierte schließlich nicht alle Tage. Und es wäre noch schöner, wenn sie nicht mehr und vor allem exaktere Details in Erfahrung bringen würde als ihr Dienstmädel.

V/2.
    Stanislaus Gotthelf nahm seinen Morgenkaffee in einem kleinen Café in einer Seitengasse der Wiedner Hauptstraße zu sich. Dort überlegte er die nächsten Schritte. Das quälende Gefühl, dass der Minerl etwas zugestoßen sein könnte, ließ ihn nicht mehr los. Was tun? Wo sich erkundigen? Sollte er es wagen und ihre Familie aufsuchen? Oder sollte er sich am Naschmarkt umhören? Letzteres schien ihm problemloser zu sein. Als er das Café verließ, sah er einen kräftigen Mann in der weißen, blutbespritzten Arbeitskleidung eines Fleischhauers, der von einem kleinen, dünnen Mann die Wiedner Hauptstraße stadtauswärts abgeführt wurde. Der Kleine trug die typische Polizeiagenten-Kleidung: Melone und einen dunklen Überzieher. Das brachte Gotthelf auf eine Idee. Am besten folgte er den beiden zum Kommissariat in der Fleischmanngasse 2, dort war vielleicht am ehesten etwas über die Identität des ermordeten Mädels in Erfahrung zu bringen. Und wie er ihnen die Wiedner Hauptstraße stadtauswärts nachging, fiel ihm das grantige Gesicht des Polizeiagenten auf. Na bumm, dachte sich Gotthelf, so wie der dreinschaut, wird er den Fleischhauer hauen wie einen Hund.
     
    Mit dieser Beobachtung traf der Planetenverkäufer ins Schwarze: Denn Pospischil hatte eine unglaubliche Wut im Bauch. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann war das,
    a) wenn ein Subjekt (alle Menschen waren für ihn Subjekte!) öffentlichen Aufruhr verursachte und
    b) wenn ein Subjekt es wagte, das staatliche Gewaltmonopol, das sich in dem Recht der Polizei manifestierte, Prügel auszuteilen, für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht war – und darauf bildete sich Pospischil was ein – im sogenannten Prügelpatent 46 gesetzlich verankert. Was seinen Zorn weiter anstachelte, war die Tatsache, dass das blonde Mädel, das der Schöberl geschlagen hatte, ihm leidtat und er sich nun in der Rolle des Rächers sah.
     
    Einige Zeit, nachdem der Polizeiagent mit dem Verhafteten im Eingang des Kommissariats verschwunden war, betrat nun Gotthelf das Wachzimmer; in gebührendem Respekt und mit entsprechender Unterwürfigkeit.

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