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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Hausmeisterin Oprschalek: »Das ist eine moralisch nicht gefestigte Person! Und der vertraust du deinen Wohnungsschlüssel an.«
    Goldblatts Gedanken fingen wieder an abzuschweifen. Er dachte an den lustigen Abend, den er heute mit zwei seiner Kollegen verbracht hatte. Sie waren bei einem Heurigen draußen in Ottakring gewesen und hatten etliche Viertel Wein getrunken. Der Heurigenwirt setzte sie eine Stunde vor Mitternacht an die frische Luft, worauf sie durch halb Ottakring wandern mussten. Schließlich fanden sie einen freien Einspänner, der sie zurück in die Stadt kutschierte. Zu Hause angekommen, läutete er die Oprschalek aus den Federn, damit sie ihm das Haustor aufsperre. Zu diesem Zeitpunkt verspürte er bereits einen merkwürdigen Druck im Magen. Dieser Druck formte sich umgehend zu einer gewaltigen Faust, die ihm beim Hinaufsteigen der Stiegen gehörig zu schaffen machte. Im ersten Stock hatte er sogar kurz Angst, sich mitten im Stiegenhaus übergeben zu müssen. Mit beinahe übermenschlicher Konzentration und mit gezielten Atemübungen konnte er dieses Missgeschick abwenden. Als er endlich vor seiner Wohnung anlangte, war er schweißgebadet. Die Faust im Magen startete eine neuerliche Attacke. Diesmal wusste er, dass nichts und niemand den vom Magen heraufstrebenden Gewalten Einhalt gebieten konnte. Er drehte sich blitzschnell um, taumelte die paar Schritte zum Etagen-WC, sperrte es mit zitternden Fingern auf, klappte die Klobrille hoch und entleerte seinen Magen in die weiße Porzellanmuschel. Die dabei entstehenden Geräusche riefen seine Nachbarin auf den Plan, die sich fürchterlich über die von ihm angerichtete Sauerei auf der Gemeinschaftstoilette alterierte. Er aber, unendlich erleichtert und gleichzeitig erbost über das keifende Weib, holte aus und haute ihr eine runter. Die schallende Ohrfeige brachte die Endlweber augenblicklich zum Verstummen. Goldblatt rechnete mit einer heftigen Reaktion. Mit einer Tracht Prügel, die ihm die schwerere und wahrscheinlich auch kräftigere Frau verabreichen würde. Um so erstaunter war er, dass nichts dergleichen geschah. Vielmehr verbarg die Endlweber ihr Gesicht in den Händen und fing zu weinen an. Goldblatt genierte sich. Er hatte eine wehrlose Frau ins Gesicht geschlagen.
    Vorsichtig – immer noch leicht schwankend – näherte er sich seiner Nachbarin und legte behutsam einen Arm um ihre Schulter. Mit leiser Stimme entschuldigte er sich. Er betonte, wie leid ihm das alles täte und beteuerte, dass er jetzt gleich einen Kübel Wasser und ein Tuch holen werde, um die von ihm angerichtete Sauerei aufzuwischen. Als das Weinen nicht aufhörte, sondern sich zu einem heftigen, fast hysterischen Schluchzen steigerte, entschuldigte sich Goldblatt auch für all die Ärgernisse, mit denen er im Lauf der letzten Jahre seiner Nachbarin das Leben vergällt hatte. Gleichzeitig umfasste er die Frau mit dem zweiten Arm und redete begütigend auf sie ein. Diese Nähe hatte Folgen: Bei der Endlweber schwoll die Erregung ab, während sie bei Goldblatt anschwoll. Denn die weiblichen Fleischmassen, die nur von einem Nachthemd umhüllt waren, strahlten eine starke Anziehungskraft aus. So ergab eins das andere: Ehe sichs die beiden seit Jahren verfeindeten Nachbarn versahen, lagen sie schon unter einer gemeinsamen Bettdecke.
»Goldblatt!«
    Diesmal erklang der Ordnungsruf um etliche Nuancen sanfter.
    »Wo bist du denn schon wieder mit deinen Gedanken? Warum hörst mir nicht zu?«
    »Aber ich hör dir doch zu … Ich hab nur ein bisserl vor mich hin geträumt. Also, was hast du gerade g’sagt?«
    »Ich hab g’sagt, dass das unverantwortlich und leichtsinnig ist, dass du einem Weib, das mit einem verhafteten Mordgesellen eine Affäre gehabt hat, deine Wohnungsschlüsseln anvertraust.«
    »Aber was redest du denn? Die Oprschalek hat doch nix mit einem Mörder. Wie kommst du auf so eine Schnapsidee?«
    »Also der Schnaps und die ganzen alkoholischen Getränke sind dein Revier. Damit hab ich nix zu tun. Deshalb hab ich auch keine Schnapsideen. Und: Ich weiß, was ich weiß. Es ist nun einmal Tatsache, dass die Oprschalek diesen hässlichen Menschen, der was am Naschmarkt Horoskopzetterln verkauft, vor ein paar Wochen zu sich in die Wohnung gezogen hat. Und dann hab ich gehört – weil ich dieses lose Weib und ihr Treiben schon seit längerer Zeit beobachte –, dass von ihrer Wohnung drinnen ganz eindeutige Geräusche gekommen sind.«
    »Was für Geräusche?«
    »Na, weißt

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