Die Naschmarkt-Morde
Ich fange mir doch in meinem Alter nix mehr mit einem Mädel an. Und als leitender Beamter schon gar nicht.«
»Na, und die Köchin? Die du letzten Sonntag ausgeführt hast?«
»Das ist was anderes.«
»Die magst, gell? Wie alt ist die eigentlich?«
»Glaubst, ich hab sie gefragt? Außerdem ist es doch wurscht, wie alt sie ist.«
»Also magst sie! Wenn sie dich nur nicht unglücklich macht, Pepi …«
»Geh, hör auf! Das ist eine solide, ernsthafte Person. Die hat eine Stelle im Haushalt eines Hofrats vom Innenministerium.«
»Dann ist sie also schon eine Ältere … Das ist eh gut … Willst sie nicht heiraten?«
»Ich bitt dich! Wir sind nicht einmal per Du. Wir verstehen uns halt gut. Und ich führ sie gerne am Sonntag aus.«
»Hat sie auch andere Verehrer?«
»Das ist nicht so eine.«
»Na, dann könntest du sie ja wirklich heiraten …«
Das Gespräch wurde zu Pepis großer Erleichterung durch das Erscheinen Schöberls beendet. Nechyba bat ihn in die Küche der Antschi Tant’, sie holte einen dritten Sessel aus dem angrenzenden Schlafzimmer. Schöberl musste sich setzen und auch ein Liptauerbrot essen. Der Fleischhauergeselle lobte den Liptauer über den grünen Klee und erzählte der alten Frau, wie Nechyba ihn aus den Fängen der Justiz befreit hatte. Wahre Lobeshymnen sang er auf den Inspector. Die Alte lächelte stolz und tätschelte dem Pepi die Hand. Er widersetzte sich dieser mütterlichen Zuneigungsbezeugung nicht, sondern trank mit Genuss den Slibowitz, den die Grubenschlager den beiden Männern eingeschenkt hatte. Der Slibowitz schmeckte auch dem Schöberl ausgezeichnet. Und da die Antschi Tant’ laufend nachschenkte, führte er die Laudatio auf Nechyba allmählich lallend fort. Der Picknickkorb samt Inhalt, den er für Nechybas Sonntagsausflug mit der Litzelsbergerin zusammengestellt hatte, war vom Feinsten. Lauter geselchte oder luftgetrocknete Stücke, die auch an einem heißen Sommertag nicht verderben würden. Für den Picknickkorb ließ sich der Schöberl keinen Heller von Nechyba bezahlen. »Das ist mein Dankeschön an den größten Polizisten Wiens, der mich aus dem Gefängnis, in dem ich unschuldig gesessen bin, herausgeholt hat.«
Dem mittlerweile schon ziemlich illuminierten Nechyba gingen solche Reden runter wie Öl. Er nahm einen weiteren Schluck Slibowitz, genoss das milde Nachbrennen des Schnapses und war mit sich und der Welt zufrieden. Schließlich konnte ihm – dem barfüßig, besoffen dasitzenden Inspector – so schnell keiner das Wasser reichen …
VI/3.
In einem Anfall von postkoitaler Schwermut griff Leo Goldblatt nach dem Päckchen Zigaretten, das er sich vor Wochen gekauft hatte. Er entnahm eine ziemlich strohige Zigarette und zündete sie an. Anders als Nechyba blies er den Rauch nicht in kunstvollen Ringen in die Luft, sondern qualmte vor sich hin. Neben ihm lag die Endlweber, die in ihrer nackten Üppigkeit fast wie eine Zwillingsschwester der Orliczek aussah. Aus ihrem Mund quoll allerlei Geplapper. Goldblatt war leicht beschwipst und müde. Er döste rauchend vor sich hin und ließ die Frau reden. Ihre Worte erinnerten ihn an einen Ausflug, den er in jungen Jahren mit seinem Vater in den Wienerwald gemacht hatte. Nach einer endlos langen Wanderung rasteten die beiden an einem Bach. Dort streckten sie ihre müden Glieder im Gras aus und ließen sich vom monotonen Murmeln des Baches zu einem Mittagsschläfchen verleiten. Der Bach plätscherte, die Vögel zwitscherten, das Gras duftete, und die Gedanken eilten unendlich weit fort.
»Goldblatt!!!«
Mit einem Ruck setzte er sich im Bett auf. Neben ihm saß die Endlweber und rieb sich den linken Unterarm.
»Du hast mich verbrannt … mit deiner Zigarette. Du Grobian, du!«
Und schon wieder rannen ihr dicke Tränen über die nicht minder dicken Wangen. Goldblatt dämpfte die Zigarette aus und zog die Endlweber an sich. Mit seinen dünnen Armen versuchte er sie zu umfangen, was ihm aufgrund ihrer Leibesfülle nicht gelang. Beruhigend redete er auf sie ein, streichelte sie sanft und versuchte, die Situation so gut es ging zu kalmieren. Schließlich beruhigte sich die Endlweber und fing wieder zu plappern an. Über Gott und die Welt, über die Parteien im Haus, über die Fratschlerinnen am Naschmarkt, über die Greislerin Lotte Landerl, über die unzähligen Male, wo sie sich über ihn – Goldblatt – in den letzten Jahren geärgert hatte. Besonders echauffierte sie sich wegen seiner Arglosigkeit bezüglich der
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