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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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das mit Bedacht zelebrierte Ritual des Anzündens und Rauchens der Virginier. Als sie gegen 10 Uhr vormittags das Café verließen, traten sie ins grelle Licht eines strahlend schönen Sommertages. Auf der Magdalenenstraße herrschte sonntäglich reger Verkehr. Voll besetzte Straßenbahnen rumpelten, Einspänner und Fiaker rollten vorbei. Die Litzelsbergerin hängte sich bei Nechyba ein, und beide promenierten zur Stadtbahnstation Karlsplatz. Dort löste er zwei Billets 2. Klasse nach Hietzing, was ihm einen kleinen Disput mit der sparsamen Köchin einbrachte. Sie fand nämlich nichts dabei, 3. Klasse zu fahren, denn ans Ziel gelangte man so und so.
     
    In Hietzing stiegen sie aus, wanderten durch den alten Ortskern und folgten dann dem Verlauf der steil ansteigenden Maxingstraße. Diese führte entlang der Mauer des Schlosses Schönbrunn hinauf auf die Anhöhe des Rosen- und des Stranzenbergs. Die beiden Wanderer erreichten schnaufend und schwitzend ihr Ziel. Hier bot sich ihnen ein fantastischer Rundblick: Links hinter ihnen lag der Schönbrunner Schlosspark, rechts leuchteten grün die bewaldeten Höhen des k. k. Thiergartens, und vor sich sahen sie den Maurerberg sowie die dahinter im Dunst liegenden Erhebungen des südlichen Wienerwaldes. Ergriffen von diesem Anblick, umfasste die Litzelsbergerin das mächtige Kreuz Nechybas und lehnte sich gegen ihn – so wie man sich an einen Baum lehnt. Nach einer Schrecksekunde stellte er den Picknickkorb ins Gras und legte den freien Arm vorsichtig um ihre Schulter.
    »Na, Nechyba, haben Sie in Ihrem riesigen Korb auch etwas zum Trinken? Ich hab so geschwitzt, dass ich jetzt einen Schluck Wasser vertragen könnt’.«
    »An alles hab ich gedacht«, strahlte er, löste sich vorsichtig aus der Umarmung und holte aus den Tiefen des Korbs eine Flasche Gießhübler Mineralwasser sowie zwei Trinkbecher hervor. Währenddessen breitete die Litzelsbergerin ein großes Taschentuch auf der Wiese aus, auf das sie sich vorsichtig mit ihrem hellen Leinenkleid setzte. Nechyba, der sich einfach so neben sie setzen wollte, musste ebenfalls ein Taschentuch ausbreiten. Sie prosteten einander zu und tranken. Die Litzelsbergerin lehnte sich nun auch im Sitzen an ihn und ließ sich zweimal Mineralwasser nachschenken. Die trockenen Gräser der Wiese stachen durch die groben Leinenstoffe, Fliegen und eine Hummel schwirrten herum, Käfer und Ameisen krabbelten. Das störte beide, und so nahm die Idylle ein baldiges Ende.
     
    Sie schüttelten die juckenden Halme sowie die Krabbeltiere aus dem Gewand, steckten ihre Taschentücher ein und wanderten über die Wiesen des Stranzenbergs hinunter ins Tal, wo die Verbindungsbahn fuhr. Durch eine Unterführung ging es weiter nach Speising; am Rande der Bauernhäuser und Gärtnereien dieses Wiener Vorortes lag das Ziel ihres Ausflugs: Das Gasthaus Zum Feldkeller. Im weitläufigen Gastgarten nahmen sie unter einem alten Nussbaum Platz. Während die Köchin den Proviant aus dem Picknickkorb hervorholte und am Tisch appetitlich arrangierte, bestellte Nechyba beim Kellner einen halben Liter Heurigen sowie eine Siphonflasche mit Sodawasser. Der Wirt brachte die Getränke, äußerte sich lobend über das G’selchte 77 und wünschte einen guten Appetit. Sie saßen auf einer Holzbank an einem grob gezimmerten Tisch und ließen sich Schöberl’s G’selchtes schmecken. Dazu tranken sie einen G’spritzten, der herrlich erfrischte. Dies beruhte vor allem auf der Säure des Grünen Veltliners, der von den nahen Maurer Weinbergen stammte.
    »Ein resches Tröpferl«, bemerkte Nechyba mit Kennermiene. Und die Litzelsbergerin, die eher den lieblicheren Weinen (zum Beispiel aus Gumpoldskirchen) zugetan war, stimmte ihm lachend zu: »Ein Wein, der, wenn man ihn pur trinkt, so sauer ist, dass es einem das Hemd in die Hose zieht.«
Schalkhaft erwiderte er: »Aber Sie haben heut ja gar kein Hemd an …«
    Die Litzelsbergerin rückte ob dieser plumpen Vertraulichkeit keinen Zentimeter von ihm ab. Sie blieb eng an seiner Seite sitzen, obwohl er einen intensiven Geruch verströmte. Er roch nach Schweiß, frisch gestärktem Leinen, Wein – er hatte mittlerweile vier G’spritzte getrunken – sowie einem süßlichen Rasierwasser. Letzteres irritierte sie. Wenn etwas nicht zu diesem Mannsbild passte, dann war das ein liebliches Rasierwasser. Trotzdem genoss sie seine Nähe. Und da sie sich ziemlich sicher war, dass sie dieses Gefühl auch in Zukunft nicht missen wollte, nahm

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