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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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faßten sich schweigend an den Händen und beobachteten die Enten, wie sie plötzlich die Köpfe ins Wasser streckten und nach kleinen Fischen tauchten.
    »Wie ruhig es ist«, bemerkte Lancelot, »es ist so still, als seien wir heute die einzigen Menschen auf der Welt… als seien wir außerhalb von Zeit und Raum, und als gäbe es keine Sorgen und Schwierigkeiten, oder Gedanken an Krieg, Schlachten, Königreiche oder Streit…«
    »Ich wünschte, dieser Tag würde nie zu Ende gehen«, antwortete Morgaine, und ihre Stimme zitterte, als der Gedanke sie durchfuhr, daß die schöne Zeit enden mußte.
    »Weinst du, Morgaine?« fragte Lancelot plötzlich in Sorge.
    »Nein«, erwiderte sie heftig, schüttelte eine große Träne des Aufbegehrens von ihren Wimpern und sah die ganze Welt in den Farben des Regenbogens. Nie hatte sie weinen können, in all den Jahren der Pein und Entbehrung, in denen sie zur Priesterin gemacht wurde, nie eine einzige Träne der Angst oder Qual vergossen.
    »Base… Morgaine«, sagte er, drückte sie an sich und streichelte ihre Wange. Sie wendete sich ihm zu, schlang die Arme um ihn und vergrub das Gesicht in seiner Tunika. Sie spürte seine Wärme und hörte den gleichmäßigen Schlag seines Herzens. Dann beugte er den Kopf, schob eine Hand unter ihr Kinn, hob ihr Gesicht und küßte sie. Er flüsterte: »Wärst du doch nicht der Göttin geweiht.«
    »Das wünschte ich auch«, antwortete sie leise.
    »Komm, komm… laß mich dich umarmen… so… ich habe gelobt, ich werde nicht… mehr verlangen.«
    Morgaine schloß die Augen – sie würde sich ihm überlassen. Ihr Schwur schien tausend Meilen und tausend Jahre entfernt zu sein, und nicht einmal der Gedanke an Viviane hätte sie davon abhalten können. Jahre später fragte sich Morgaine, was geschehen wäre, wenn sie auch nur einen Herzschlag länger in dieser Umarmung verharrt hätten. Ohne Zweifel hätte die Göttin, in deren Hand sie waren, den Bann gebrochen. Aber als sich ihre Lippen wieder berührten, spannten sich Lancelots Muskeln ein wenig, als höre er etwas, was eigentlich nicht zu hören war. Morgaine löste sich von ihm und setzte sich auf.
    »Was war das, Morgaine?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie und lauschte aufmerksam, ohne mehr zu hören, als das plätschernde Wasser, den Wind im Schilf und das gelegentliche Klatschen eines springenden Fisches. Dann hörten sie es beide. Es klang wie ein schwaches Seufzen… wie leises Weinen.
    »Jemand weint«, sagte Lancelot und stand auf. »Dort drüben… jemand hat sich verletzt oder verirrt. Es klingt wie das Weinen eines Mädchens…«
    Morgaine ging schnell barfuß hinter ihm her und ließ Rock und Tunika auf dem Busch zurück. Vielleicht hatte sich eine der jüngeren Priesterinnen hierher verirrt, obwohl sie die Umgebung des Jungfrauenhauses nicht verlassen durften. Aber Mädchen waren Mädchen, und man mußte damit rechnen, daß sie gegen die Regeln verstießen. Eine der alten Priesterinnen hatte einmal gesagt, das Haus der Jungfrauen sei für kleine Mädchen bestimmt, deren einzige Aufgabe im Leben darin bestehe, Dinge zu zerbrechen, zu verschütten und zu vergessen, unter anderem auch die Regeln des täglichen Lebens, bis sie alles zerbrochen, verschüttet und vergessen hatten und so in ihrem Leben Platz für ein wenig Weisheit schufen. Inzwischen unterwies Morgaine als Priesterin die Jüngsten und dachte manchmal daran, wie recht die alte Priesterin gehabt hatte. Sie war aber gewiß nicht so albern und gedankenlos gewesen, wie diese Mädchen heute.
    Lancelot und Morgaine gingen dem Geräusch nach. Sie hörten es nur schwach, manchmal längere Zeit nicht, aber dann ließ es sich wieder deutlich vernehmen. Dicke Nebelschwaden trieben über den See, und Morgaine wußte nicht genau, ob es die Dunstschleier vor dem Sonnenuntergang waren oder aber die Nebel, die das magische Reich umgaben.
    »Da!« sagte Lancelot und verschwand plötzlich im Nebel. Morgaine folgte ihm und sah die verschwommene Gestalt eines jungen Mädchens, die zum Schatten verblaßte, dann aber wirklich wurde. Das Mädchen stand bis zu den Knöcheln im Wasser und weinte.
Ja,
stellte Morgaine fest,
sie steht wirklich dort,
und dann:
Nein, sie ist keine Novizin.
Das Mädchen war sehr jung und von entzückender Schönheit.
    Es schien nur golden und weiß zu sein; die blasse Haut wirkte wie Elfenbein mit einem Anflug von rosa; die Augen waren von hellstem Himmelblau, und die langen blonden Haare schimmerten im

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