Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Seine eigenen waren nicht mehr tragbar. Ich hatte ihm auch etwas zu essen und Wein angeboten, aber er läßt fragen, ob er mit Euch speisen kann.«
    »Richte ihm aus, er ist willkommen«, sagte Viviane, sorgsam bedacht, daß ihr Gesicht sie nicht verriet. Sie kannte sehr wohl die Kunst, die Gedanken zu verbergen. Aber als der junge Mann sie alleingelassen hatte, konnte sie ein Erstaunen nicht länger unterdrücken, und sie runzelte die Stirn.
    Viviane rief die diensttuende Priesterin und bat sie, nicht das übliche Abendbrot zu bringen, sondern Speisen und Wein für den Merlin, und das Feuer neu zu schüren. Es dauerte nicht lange, und sie hörte seine Schritte. Er trat ein und ging zum Feuer. Taliesin hatte inzwischen weißes Haar und einen weißen Bart. Er schritt gebeugt und wirkte etwas seltsam im grünen Gewand eines Druidenzöglings. Es war zu kurz und enthüllte seine mageren Fußknöchel. Viviane bot ihm einen Platz nahe am Feuer an – sie sah, daß er immer noch zitterte – und stellte einen vollen Teller und einen getriebenen Silberpokal mit Apfelwein aus Avalon vor ihn.
    Dann setzte sie sich auf einen kleinen Hocker ihm gegenüber und aß ihr Brot und getrocknete Früchte. Als er den Teller beiseite schob und von dem Wein trank, sagte sie: »Jetzt erzählt mir alles, Vater.«
    Der alte Mann lächelte sie an: »Ich hätte nie gedacht, daß du mich jemals so nennst, Viviane. Oder glaubst du, ich hätte aus Altersschwäche die heiligen Gelübde abgelegt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete sie. »Aber Ihr wart der Geliebte meiner Mutter. Und sie war vor mir hier die Herrin. Ihr habt zwei meiner Schwestern gezeugt. Wir beide haben zusammen mehr Jahre der Göttin gedient, als ich zu zählen vermag. Vielleicht sehne ich mich in dieser Nacht nach der tröstlichen Stimme eines Vaters… ich weiß nicht, ich fühle mich heute nacht sehr alt, Va… Taliesin. Haltet Ihr mich für zu alt, um Eure Tochter zu sein?«
    Der alte Druide lächelte. »Niemals, Viviane. Du hast kein Alter. Ich weiß, wie alt du bist… oder ich könnte es nachrechnen, wenn ich wollte. Aber für mich bist du immer noch ein Mädchen. Selbst jetzt könntest du dir noch so viele Liebhaber nehmen, wie du möchtest.«
    Viviane machte eine abwehrende Geste. »Ihr könnt sicher sein, ich habe nie einen Mann gefunden, der mir mehr bedeutete, als die Notwendigkeit oder die Pflicht gebot, oder der mir mehr als das Vergnügen einer Nacht bereitete«, erwiderte sie. »Und ich glaube, außer Euch konnte sich nur einmal ein Mann mit meiner Stärke messen.« Sie lachte. »Obwohl, wenn ich zehn Jahre jünger gewesen wäre… wie, glaubt Ihr, hätte ich mich als Gemahlin des Großkönigs gemacht und wie mein Sohn auf dem Thron?«
    »Ich glaube nicht, daß Galahad… er läßt sich jetzt, hörte ich, Lancelot nennen… aus dem Stoff ist, aus dem Könige gemacht werden. Er ist ein Träumer, ein schwankendes Rohr im Wind.«
    »Aber wenn Uther Pendragon sein Vater wäre…«
    Taliesin schüttelte den Kopf. »Er läßt sich beherrschen, Viviane, und herrscht nicht.«
    »Trotzdem… es rührt daher, daß er an Bans Hof als Bastard aufgewachsen ist. Wäre er als Sohn eines Königs erzogen worden…«
    »Und wer hätte in diesen Jahren Avalon regiert, wenn du dich für eine Krone im Christenland entschieden hättest?«
    »Mit mir an Uthers Seite wäre es kein Christenreich«, sagte Viviane. »Ich dachte, Igraine hätte Macht über ihn und nutze sie für Avalon…«
    Der Merlin schüttelte den Kopf. »Ich sehe keinen Sinn, dem Schnee des letzten Winters nachzuweinen, Viviane. Ich bin gekommen, um über Uther zu sprechen. Er liegt im Sterben.«
    Sie hob den Kopf und starrte ihn an. »Also ist es bereits soweit.« Sie spürte, wie ihr Herz heftig zu klopfen begann. »Er ist so jung…«
    »Älter als du«, entgegnete der Merlin. »Aber er hält sich für jung. Er führt noch immer seine Männer in die Schlacht. Ein klügerer Mann in seinem Alter würde das den Feldherrn überlassen. Er wurde verwundet und das Fieber packte ihn. Ich bot meine Hilfe als Heilkundiger an, aber Igraine und die Christenpriester wollten nichts davon wissen. Es hätte ohnedies nicht viel genützt. Uthers Zeit ist gekommen. Ich sah es in seinen Augen.«
    »Wie macht sich Igraine als Königin?«
    »So wie du es vorausgesehen hattest«, antwortete der alte Druide. »Sie ist schön, würdevoll, fromm und geht immer in Trauergewändern wegen der Kinder, die sie verloren hat. An

Weitere Kostenlose Bücher