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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Nebel wie reines Gold. Es trug ein weißes Kleidchen und mühte sich vergeblich, es nicht naß werden zu lassen. Die Kleine weinte, und es sah nicht häßlich aus; ihre Tränen schienen sie nur noch hübscher zu machen.
    Morgaine fragte: »Was ist dir, mein Kind? Hast du dich verirrt?« Das Mädchen starrte beide an, während sie näher kamen, und flüsterte: »Wer seid ihr? Ich dachte, niemand würde mich hören… ich rief nach den Schwestern. Aber keine gab Antwort. Dann bewegte sich das Land, und wo vorher noch Erde war, war plötzlich Wasser. Ich stand im Schilf und fürchtete mich… Wo bin ich hier? Ich kenne diesen Ort nicht. Ich bin im Konvent, seit fast einem Jahr…« Bei diesen Worten bekreuzigte sie sich. Plötzlich wußte Morgaine, was geschehen war. Die Nebelschleier hatten sich verdünnt, wie es manchmal an Punkten konzentrierter Kraft geschah. Und dieses Mädchen besaß irgendwie genug Empfindsamkeit, um es zu bemerken. Es kam vor, daß jemand in einer kurzen Vision die andere Welt schattenhaft sehen, aber nur sehr selten auch dorthin gehen konnte.
    Das Mädchen machte einen Schritt auf sie zu; doch der sumpfige Boden gab nach, und es blieb erschrocken stehen. »Bleibe, wo du bist«, sagte Morgaine ruhig. »Der Boden ist hier trügerisch. Ich kenne den Weg und werde dir heraushelfen, Kleine.«
    Als sie aber mit ausgestreckter Hand vorwärtsging, schritt Lancelot an ihr vorbei, nahm das junge Mädchen auf den Arm, trug es ans trockene Ufer und setzte es dort ab.
    »Deine Schuhe sind naß«, sagte er. »Zieh sie aus, damit sie trocknen.«
    Die Kleine sah ihn verwundert an und hatte aufgehört zu weinen. »Ihr seid sehr stark, nicht einmal mein Vater hat soviel Kraft. Ich glaube, ich habe Euch schon einmal gesehen. Ist das möglich?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Lancelot. »Wer bist du, und wer ist dein Vater?«
    »Mein Vater ist König Leodegranz«, sagte sie, »und ich bin hier in der Klosterschule…«, ihre Stimme zitterte jetzt wieder. »Wo ist sie denn? Ich kann das Haus nirgends sehen, noch nicht einmal die Kirche…«
    »Weine nicht«, sagte Morgaine und trat auf sie zu. Aber die Kleine wich vor ihr zurück.
    »Seid Ihr eine der Feen? Ihr tragt das blaue Zeichen auf der Stirn…« Sie hob die Hand und bekreuzigte sich. »Nein«, sagte sie nachdenklich, »Ihr könnt kein Dämon sein, denn Ihr verschwindet nicht, wenn ich das Kreuz schlage. Und die Schwestern sagen, vor dem Kreuz muß jeder Dämon weichen… Aber Ihr seid klein und häßlich wie die Feen…«
    Lancelot fiel ihr schnell ins Wort: »Nein, natürlich sind wir beide keine Außerirdischen. Ich glaube, wir können dich zurück in dein Kloster bringen.«
    Morgaine sank das Herz, als sie bemerkte, wie Lancelot der Fremden mit den gleichen liebevollen, verlangenden und beinahe ehrfürchtigen Blicken begegnete wie vorher ihr. Er wandte sich ihr zu und fragte eifrig: »Wir können ihr doch helfen, nicht wahr?«
    Morgaine sah plötzlich, wie sie auf Lancelot und das fremde blonde Mädchen wirken mußte – klein, dunkel, das heidnische blaue Zeichen auf der Stirn, das Unterkleid beschmutzt bis zu den Knien, unschicklich nackt die Arme, die Füße voller Lehm und das Haar zerzaust.
Klein und häßlich wie eine Fee… Morgaine, die Fee.
So hatte man sie bereits in der Kindheit geneckt. Sie spürte eine Woge von Selbsthaß und Abneigung gegen ihren kleinen dunklen Körper, die halbnackten Arme und Beine und das schmutzige Hirschledergewand in sich aufsteigen. Schnell griff sie nach dem nassen Rock, der über dem Gebüsch hing, zog ihn an und streifte die Ledertunika darüber. Lancelot sah sie kurz an, und Morgaine spürte, daß auch er sie für häßlich, barbarisch und heidnisch hielt. Dieses wunderschöne blonde Mädchen gehörte zu seiner Welt. Er trat zu der Kleinen, ergriff sanft ihre Hand und verbeugte sich ehrerbietig. »Komm mit, wir können dir den Rückweg zeigen.«
    »Ja«, sagte Morgaine verdrießlich, »ich werde ihn dir weisen. Folge mir auf den Fersen, denn der Boden ist trügerisch. Du könntest im Schlamm versinken und so schnell nicht wieder herauskommen.« Zornig geworden, fühlte sie sich einen Augenblick lang versucht, die beiden in das unbegehbare Sumpfland zu führen… sie konnte es tun, denn nur sie kannte den Weg… dort mochten sie versinken, ertrinken oder für immer im Nebel umherirren.
    Lancelot fragte: »Wie heißt du?«
    Das blonde Mädchen antwortete: »Ich heiße Gwenhwyfar«, und Morgaine hörte Lancelot

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