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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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murmeln: »Welch ein schöner Name, schön wie die junge Dame, die ihn trägt.«
    Morgaine spürte einen solchen Haß in sich aufsteigen, daß sie glaubte, ohnmächtig zu werden. Sie wußte, dieser Haß würde sie bis an ihr Ende begleiten, und in diesem Augenblick sehnte sie sich nach dem Tod. Die Schönheit des Tages war im Nebel, in dem Sumpf und dem trostlosen Schilfgras versunken, und ihr Glück war dahin.
    »Komm«, wiederholte sie tonlos, »ich will dir den Weg weisen.« Sie wandte sich zum Gehen und hörte, wie die beiden hinter ihrem Rücken lachten und fragte sich voll dumpfen Zorns, ob dies Lachen ihr galt. Sie hörte, wie Gwenhwyfar mit mädchenzarter Stimme fragte: »Aber Ihr, Ihr gehört doch nicht an diesen schlimmen Ort, nicht wahr? Denn Ihr seid nicht klein und häßlich wie diese aus dem Volk der Feen.«
    Nein,
dachte Morgaine,
nein, er ist schön, und ich bin… klein und häßlich.
Die Worte brannten sich in ihr Herz. Morgaine vergaß, daß sie wie Viviane aussah, und daß Viviane in ihren Augen schön war.
    Sie hörte, wie Lancelot antwortete: »Nein, nein, und ich würde gern mit dir zurückkehren… wirklich. Aber ich habe versprochen, heute mit einem Verwandten zu Abend zu essen. Meine Mutter ist bereits zornig auf mich, und ich möchte den alten ehrwürdigen Herrn nicht auch noch zornig machen. Nein, ich gehöre nicht nach Avalon…« Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Sie… sie ist eine Nichte meiner Mutter oder irgendeine Verwandte. Wir haben als Kinder zusammen gespielt. Das ist alles.« Jetzt wußte Morgaine, daß Lancelot von ihr sprach. So hurtig also wurde alles, was zwischen ihnen vorgefallen war, auf entfernte Familienzugehörigkeit verwiesen. Verzweifelt kämpfte Morgaine gegen die Tränen. Sie wußte, Tränen würde sie in deren Augen noch häßlicher machen. Sie betrat das feste, trockene Land und sagte: »Dort liegt dein Kloster, Gwenhwyfar. Achte auf den Weg, oder du wirst dich wieder im Nebel verlieren.«
    Sie sah, daß Lancelot das Mädchen an der Hand hielt und sie nur zögernd losließ. Es sagte: »Danke, oh, vielen Dank!«
    »Du solltest dich bei Morgaine bedanken«, entgegnete Lancelot. »Sie kennt den Weg, der nach Avalon und wieder zurück führt.« Das Mädchen sah sie scheu an und machte einen kleinen höflichen Knicks: »Ich danke Euch, Dame Morgaine.«
    Morgaine holte tief Luft, warf sich den Mantel der Priesterin wieder um – den Zauber, der ihr zu Gebote stand. Trotz ihrer schmutzigen und zerrissenen Kleidung, den nackten Füßen und dem aufgelösten, nassen Haar wußte Morgaine, daß sie plötzlich groß und eindrucksvoll aussah. Sie erhob feierlich segnend die Hand, drehte sich schweigend um und forderte mit einem Wink Lancelot auf, ihr zu folgen. Auch ohne sich umzusehen wußte sie, daß das Mädchen ihr voll Angst und Ehrfurcht nachblickte. Doch schweigend schritt Morgaine mit dem lautlosen Gang der Priesterin von Avalon davon. Lancelot folgte ihr zögernd.
    Nach einer Weile blickte sie zurück. Die Nebel hatten sich gesenkt, und das Mädchen war verschwunden. Beklommen fragte Lancelot: »Wie hast du das gemacht, Morgaine?«
    »Wie habe ich was gemacht?« fragte sie zurück. »Plötzlich wirkst du so… so… wie meine Mutter. Groß, kühl und entrückt und… nicht ganz wirklich. Wie ein Dämon. Du hast dem armen Mädchen Furcht eingejagt. Das hättest du nicht tun sollen!«
    Morgaine biß sich zornig auf die Lippen. Dann antwortete sie kühl und rätselhaft: »Vetter, ich bin, was ich bin.« Damit drehte sie sich um und eilte voraus. Sie fror, fühlte sich müde und zerschlagen, wie von einer inneren Krankheit gepackt. Sie sehnte sich nach der Einsamkeit im Haus der Jungfrauen. Lancelot schien immer weiter zurückzubleiben, aber es kümmerte sie nicht. Von hier aus konnte er den Weg selbst finden.

13
    Im Frühling des nächsten Jahres kam der Merlin im peitschenden Regen eines letzten Wintersturms spätabends nach Avalon. Als er Viviane gemeldet wurde, blickte diese erstaunt auf. »In einer solchen Nacht würden selbst die Frösche ertrinken«, sagte sie. »Was bringt ihn dazu, in einem solchen Wetter zu uns zu kommen?«
    »Ich weiß es nicht, Herrin«, antwortete der junge Druidenzögling, der ihr die Nachricht überbrachte. »Er nahm sich nicht einmal die Zeit, die Barke zu rufen, sondern kam auf den geheimen Wegen. Er sagte, er müsse Euch unbedingt noch heute abend sehen, ehe Ihr Euch zur Ruhe begebt. Ich habe ihm trockene Kleider bringen lassen.

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