Die Nebel von Avalon
Jahr eine persönliche Aufforderung erhalten. »Warum läßt du sie in diesem Jahr eigens benachrichtigen? Sicher kommen doch alle auch ohne Einladung, soweit nicht wichtige Aufgaben sie davon abhalten?«
»In diesem Jahr genügt das nicht«, erwiderte Artus und lächelte sie an. Gwenhwyfar entdeckte bereits graue Strähnen in seinem Haar. Da der König blond war, bemerkte man sie nur, wenn man dicht neben ihm stand. »Ich will ein solches Turnier und solche Kampfspiele veranstalten, daß alle sehen, des Großkönigs Legion ist noch immer so gut wie früher.«
»Glaubst du, daran zweifelt jemand?« fragte Gwenhwyfar. »Vielleicht nicht. Aber da ist dieser Lucius in der Bretagne… Bors hat mich um Unterstützung gebeten. Damals als ich gegen die Nordmänner und Sachsen kämpfte, die Britannien fast überrannt hätten, kamen mir alle Könige zu Hilfe. Deshalb bin ich verpflichtet, nun auch ihnen zu helfen. Lucius bezeichnet sich als Kaiser von Rom!«
»Hat er das geringste Recht dazu?« erkundigte sich Gwenhwyfar.
»Natürlich nicht. Ganz sicher noch weniger als ich«, erwiderte Artus. »Es gibt seit mehr als hundert Jahren in Rom keinen Kaiser mehr, meine Liebe. Constantin war Kaiser und trug den Purpur. Auf ihn folgte Magnus Maximus. Er überquerte den Kanal und versuchte,
sich zum Kaiser zu machen, aber er kehrte nie nach Britannien zurück. Gott allein weiß, was ihm zustieß oder wo er starb. Nach ihm sammelte Ambrosius Aurelianus unsere Männer gegen die Sachsen um sich. Auf ihn folgte Uther, und ich glaube, sie oder ich, wir hätten uns Kaiser nennen können. Aber ich bin damit zufrieden, Großkönig von Britannien zu sein. In meiner Jugend las ich etwas über die Geschichte Roms. Es kam immer wieder vor, daß ein Gernegroß die Unterstützung einer Legion errang und sich den Purpur umhängte. Aber hier in Britannien bedarf es mehr als eines Adlers, um sich zum Kaiser auszurufen. Sonst wäre Uriens Herrscher über dieses Land. Ich habe ihn ebenfalls gebeten zu kommen… es ist lange her, daß ich meine Schwester nicht mehr gesehen habe.«
Gwenhwyfar erschauerte und sagte: »Ich möchte nicht noch einmal Krieg in diesem Land erleben und zusehen müssen, wie es auseinandergerissen wird…«
»Ich ebenfalls nicht«, erwiderte Artus. »Ich glaube, jeder meiner Könige wünscht dauerhaften Frieden.«
»Da bin ich nicht so sicher, mein Gemahl. Manche deiner Leute sprechen immer noch von den alten Tagen, als sie tagaus, tagein gegen die Sachsen kämpften. Und jetzt gönnen sie den Sachsen das Christentum nicht… der Bischof kann sagen, was er will.«
»Ich glaube nicht, daß sie den großen Schlachten nachtrauern«, erwiderte Artus lächelnd. »Damals waren wir alle jung und standen uns sehr nahe. Sehnst du dich nicht auch nach dieser Zeit zurück, meine Gwenhwyfar?«
Gwenhwyfar spürte, wie sie rot wurde. Gewiß, sie wußte es noch allzugut… damals war Lancelot ihr Ritter gewesen, und sie hatten sich geliebt… eine christliche Königin sollte nicht an so etwas denken. Aber sie konnte ihre Gedanken nicht aufhalten. »Ja, so ist es, Artus, und vielleicht sehne ich mich nur nach meiner Jugend. Ich bin alt geworden…«, sagte sie seufzend.
Der König ergriff ihre Hand und erklärte: »Für mich bist du immer noch schön, Liebste. So schön wie an dem Tag, als wir zum ersten Mal zusammenlagen.« Gwenhwyfar wußte, er sprach die Wahrheit.
Sie zwang sich ruhig zu bleiben und nicht zu erröten.
Ich bin nicht mehr jung. Es schickt sich nicht, daß ich mich nach den Tagen meiner Jugend sehne, denn damals war ich eine Sünderin und eine Ehebrecherin. Jetzt habe ich Buße getan und meinen Frieden mit Gott gemacht. Selbst Artus hat seine Sünde mit Morgaine gesühnt.
Gwenhwyfar zwang sich, praktisch zu denken, wie es sich für die Königin Britanniens gehörte. »Ich nehme an, dann werden wir an diesem Pfingstfest mehr Gäste auf Camelot haben als je zuvor… Ich muß mit Cai und Lucan beraten, wo wir sie alle unterbringen, und wie wir sie bewirten. Wird Bors von der Bretagne ebenfalls kommen?«
»Wenn es ihm möglich ist«, antwortete Artus, »obwohl Lancelot mir Anfang der Woche einen Boten schickte und um Erlaubnis bat, seinem Bruder Bors zu Hilfe zu eilen, wenn er tatsächlich belagert wird… Ich habe ihn gebeten, trotzdem zu kommen, denn möglicherweise werden wir alle in die Bretagne ziehen… Nach Pellinores Tod ist Lancelot als Elaines Gemahl König, solange ihr Sohn noch so klein ist. Agravain wird an
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