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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ist das die Wahrheit, wie er sie sieht,
dachte Morgaine.
Wie konnte ein so kluger und weiser König nur so wenig Vorstellungsvermögen besitzen?
Oder lag darin das Geheimnis seiner Herrschaft? Artus hielt sich an einfache Wahrheiten, und mehr suchte er nicht. Hatte das Christentum ihn deshalb verlocken können, weil es so einfach war und sich mit wenigen, klaren Gesetzen begnügte?
    »Ich möchte, daß alle glücklich sind«, erklärte Artus. Morgaine wußte, daß in diesen Worten der Schlüssel zu seinem Wesen lag. Er wollte wirklich jeden, bis hinunter zum Geringsten, seiner Untertanen glücklich machen. Er hatte sich nicht zwischen Gwenhwyfar und Lancelot gestellt, denn das hätte seine Königin unglücklich gemacht. Er wollte Gwenhwyfar auch nicht verletzen, indem er eine andere Gemahlin oder eine Geliebte nahm, die ihm den Sohn geschenkt hätte, den sie ihm nicht geben konnte.
    Er ist nicht hart genug, um Großkönig zu sein,
dachte Morgaine und versuchte, Drustans traurigen Weisen zuzuhören. Artus sprach jetzt über die Blei- und Eisenminen in Cornwall. Er riet ihr, die Bergwerke zu besuchen, um Herzog Marcus zu zeigen, daß er nicht der unumschränkte Herrscher im Land war. Mit Isotta würde sie sich sicher anfreunden, denn sie liebten beide Musik.
Sieh doch nur, wie sie an Drustans Lippen hängt! Nicht die Musik macht es ihr unmöglich, den Blick von ihm zu wenden,
dachte Morgaine. Aber sie sprach es nicht aus. Sie musterte die vier Königinnen, die am Tisch saßen, und seufzte: Isotta konnte die Augen nicht von Drustan wenden – und wer sollte es ihr verübeln? Der alte Herzog Marcus war ein gestrenger Mann mit flinken, durchdringenden und bösen Augen; er erinnerte Morgaine an Lot von Orkney. Morgause hatte den jungen Lamorak zu sich gewinkt und flüsterte mit ihm – und wer sollte es ihr verübeln? Sie war mit Lot vermählt worden, als sie noch nicht fünfzehn war. Und er war beileibe kein Juwel gewesen…
Und ich bin nicht besser als sie alle. Mit einer Hand liebkose ich Uriens. Sobald es möglich ist, schleiche ich mich in Accolons Bett und rechtfertige mich damit, daß ich ihn meinen Priester nenne…
    Morgaine überlegte, ob eine Frau je etwas anderes tat. Gwenhwyfar, Artus' Königin, hatte als erste einen Liebhaber genommen… und Morgaine kam es vor, als sei ihr Herz versteinert. Sie, Morgause und Isotta hatte man mit alten Männern verheiratet, und entsprechend verlief ihr Leben. Aber Gwenhwyfar bekam einen gutaussehenden Mann, der nicht viel älter war als sie selbst und Großkönig dazu… Womit konnte sie unzufrieden sein?
    Drustan stellte die Harfe beiseite, verneigte sich und griff nach einem Becher Wein. »Ich kann nicht mehr«, erklärte er. »Aber wenn Lady Morgaine meine Harfe spielen möchte, wäre es mir eine große Ehre. Ich habe von ihrer wunderbaren Gabe gehört.«
    »Ja, singe für uns, Kind«, bat Morgause, und Artus schloß sich ihr an: »Ja, ich habe deine Stimme schon so lange nicht singen gehört, und für mich gibt es keine schönere… vielleicht, weil es die erste Stimme ist, an die ich mich erinnere. Ich glaube, du hast mich in den Schlaf gesungen, ehe ich reden konnte, und damals warst du selbst noch fast ein Kind. Das ist meine schönste Erinnerung an dich, Morgaine«, fügte der König hinzu.
    Morgaine sah die Qual in den Augen des Bruders und mußte den Kopf senken.
Kann mir Gwenhwyfar deshalb nicht vergeben, weil ich für ihn das Gesicht der Göttin trage?
Sie nahm die Harfe, senkte wieder den Kopf und fuhr langsam über die Saiten.
    »Sie ist anders gestimmt als meine«, erklärte sie. Dann hob Morgaine den Kopf, denn am anderen Ende der Halle war Unruhe entstanden. Ein Horn blies laut und schrill, und man hörte das Gepolter von Bewaffneten. Artus erhob sich halb und sank dann auf den Thron zurück, während vier Bewaffnete mit Schwertern und Schilden durch die Halle stürmten.
    Cai trat ihnen in den Weg – an Pfingsten durfte in der Halle des Königs niemand eine Waffe tragen. Man schob ihn grob beiseite. Die
    Männer trugen römische Helme – Morgaine hatte einen oder zwei gesehen, die man in Avalon aufbewahrte –, kurze militärische Tuniken und römische Brustpanzer. Über die Schultern hingen ihnen schwere, lange rote Umhänge… Morgaine blinzelte – die römischen Legionäre der Vergangenheit schienen wieder zum Leben erwacht zu sein. Ein Mann trug eine Standarte mit einem vergoldeten Adler.
    »Artus, Herzog von Britannien«, rief einer der Männer. »Wir

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