Die Nebel von Avalon
überbringen Euch eine Botschaft von Lucius, dem Kaiser von Rom!«
Artus erhob sich vom Thron und trat einen Schritt vorwärts. »Ich bin nicht Herzog von Britannien, sondern Großkönig«, erklärte er freundlich, »und ich habe von einem Kaiser Lucius noch nie etwas gehört. Rom ist gefallen und ist in den Händen von Barbaren… und Schwindlern. Aber man hängt nicht den Hund für die Anmaßung seines Herrn. Verlest Eure Botschaft.«
»Ich bin Castor, Centurion der Legion Valeria Victrix«, sagte der Mann, der bereits vorher gesprochen hatte. »In Gallien haben sich die Legionen unter dem Banner von Lucius Valerius, dem Kaiser von Rom, wieder gesammelt. Er sendet Euch diese Botschaft: Ihr, Artus, Herzog von Britannien, dürft unter diesem Titel weiter herrschen, unter der Voraussetzung, daß Ihr innerhalb von sechs Wochen den kaiserlichen Tribut leistet. Er besteht aus vierzig Unzen Gold, zwei Dutzend britannischer Perlen, je drei Wagenladungen Eisen, Zinn und Blei aus Euren Minen zusammen mit einhundert Ellen gewebter britannischer Wolle und einhundert Sklaven.«
Lancelot erhob sich und trat erregt vor den König. »Mein Gebieter! König Artus!« rief er, »überlaßt mir die frechen Hunde. Ich werde sie auspeitschen lassen, auf daß sie jaulend zu ihrem Herrn zurückkehren. Sie sollen diesem Schwachkopf Lucius ausrichten, wenn er von Britannien einen Tribut will, soll er kommen und versuchen, ihn sich zu holen…«
»Warte, Lancelot«, entgegnete Artus immer noch freundlich lächelnd, »das wäre nicht der richtige Weg.« Er musterte die Legionäre. Castor hatte das Schwert schon halb gezogen, und Artus erklärte barsch: »An diesem heiligen Tag wird an meinem Hof keine Waffe angerührt, Mann! Ich erwarte nicht, daß ein Barbar aus Gallien die Gebräuche eines gesitteten Landes kennt. Aber ich schwöre dir, wenn du dein Schwert nicht in die Scheide steckst, wird Lancelot es dir auf seine Weise abnehmen, ob es dir gefällt oder nicht. Sicher habt ihr auch in Gallien von dem edlen Lancelot gehört. Vor meinem Thron möchte ich kein Blutvergießen.«
Castor knirschte vor Wut mit den Zähnen, stieß das Schwert aber in die Scheide zurück. »Ich fürchte Euren Ritter Lancelot nicht«, erwiderte er. »Er hatte seine besten Tage in der Zeit der Sachsenkriege. Aber ich komme als Bote und habe Befehl, kein Blut zu vergießen. Welche Antwort darf ich dem Kaiser überbringen, Herzog Artus?«
»Keine… wenn Ihr mir meinen rechtmäßigen Titel in meiner eigenen Halle verweigert«, erwiderte der Großkönig. »Aber richte Lucius aus: Uther Pendragon folgte Ambrosius Aurelianus auf den Thron, als keine Römer hier waren, um uns im Überlebenskampf gegen die Sachsen beizustehen. Ich, Artus, übernahm die Herrschaft von meinem Vater Uther und nach mir wird mein Neffe Galahad den Thron besteigen. Niemand kann rechtmäßig den Purpur der Cäsaren beanspruchen… Rom herrscht in Britannien schon längst nicht mehr. Wenn Lucius den Wunsch hat, in seinem Gallien als Kaiser zu herrschen und wenn das Volk ihn dort anerkennt, werde ich ihm den Anspruch sicher nicht streitig machen. Aber wenn er auch nur einen Fußbreit von Britannien oder der Bretagne beansprucht, wird er von uns nichts zu erwarten haben als drei Dutzend gute britannische Pfeilspitzen, und zwar dorthin, wo sie ihm am besten bekommen.«
Castor erwiderte blaß vor Zorn: »Mein Kaiser sah eine solche Frechheit wohl voraus. Deshalb trug er mir auf zu sagen: Die Bretagne ist bereits in seiner Hand. Er hält Bors, den Sohn von König Ban, in dessen eigener Burg gefangen. Wenn Kaiser Lucius die Bretagne in Schutt und Asche gelegt hat, wird er wie der alte Cäsar Claudius nach Britannien kommen und das Land zurückerobern. Daran werden ihn auch Eure blaubemalten Barbarenhäuptlinge nicht hindern!«
»Sagt Eurem Kaiser«, entgegnete Artus, »ich halte mein Angebot von drei Dutzend britannischer Pfeilspitzen aufrecht. Doch jetzt erhöhe ich auf dreihundert. Er erhält keinen Tribut von mir, sondern einen Pfeil direkt ins Herz. Richtet ihm auch aus, wenn er meinem Gefährten, dem edlen Bors, auch nur ein Haar krümmt, werde ich ihn Lancelot und Lionel übergeben. Sie sind Bors' Brüder und werden ihm die Haut bei lebendigem Leib abziehen und seinen Körper an die Zinnen der Burg hängen. Nun geht zurück zu Eurem Kaiser und überbringt ihm die Botschaft. Nein, Cai, niemand darf Hand an sie legen… ein Bote ist den Göttern geheiligt.«
In der Halle herrschte entsetztes
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