Die Nebel von Avalon
zu begleiten. Aber wahrscheinlich muß er mit Artus reiten.«
Er würde mich wirklich in Accolons Hände geben. Von niemandem denkt er etwas Schlechtes!
Morgaine küßte Uriens mit echter Wärme.
»Erlaubt Ihr, mein Gemahl, daß ich meine Verwandte in Avalon besuche, nachdem ich bei Elaine war?«
»Handelt nach Eurem Belieben, meine Gemahlin«, erwiderte Uriens. »Aber würdet Ihr Euch um mein Gepäck kümmern, ehe Ihr mich verlaßt. Mein Leibdiener vermag das nicht so gut wie Ihr. Und laßt mir bitte von Euren Heilsalben und Kräutertränken ein gerüttelt Maß zurück.«
»Gewiß doch«, willigte sie ein. Während Morgaine alles für die Abreise vorbereitete, dachte sie ergeben daran, daß Uriens zum Abschied sicher noch einmal bei ihr liegen wollte. Nun denn, sie hatte es schon früher erduldet, warum nicht auch heute?
Was bin ich doch für eine Hure geworden!
12
Morgaine wußte, sie konnte diese Reise nur wagen, wenn sie langsam vorging… Schritt für Schritt, Meile um Meile, Tag um Tag. Der erste Schritt führte sie zu Pellinores Burg. Welch bitterer Witz, daß es ihre erste Mission war, Lancelots Frau und seinen Kindern freundliche Grüße von ihm zu überbringen! Den ersten Tag ritt sie auf der Römischen Straße durch die sanften Hügel nach Norden. Kevin hatte sich erboten, sie zu begleiten. Die Versuchung war groß gewesen, das Angebot anzunehmen. Doch die alte Furcht überfiel sie wieder, sie würde auch diesmal den Weg nach Avalon nicht finden oder nicht wagen, die Barke zu rufen. Vielleicht würde sie sich wieder in das Feenland verirren und dort für immer verloren sein.
Nach Vivianes Tod hatte sie nicht mehr gewagt, nach Avalon zu gehen… Aber jetzt mußte sie sich dieser Prüfung unterziehen, wie damals vor ihrer Weihe zur Priesterin… aus Avalon vertrieben, stand sie nun vor der Aufgabe, auf irgendeine Weise zurückzukehren… sie mußte aus eigener Kraft den Weg öffnen, ohne Kevins Hilfe. Trotzdem fürchtete sie sich. Es war schon so lange her… Am vierten Tag erblickte sie Pellinores Burg in der Ferne. Gegen Mittag ritt sie am sumpfigen Seeufer entlang. Nichts mehr verriet, daß hier einmal ein Drache hauste. Schließlich sah sie auch schon das flachere Gebäude, das Pellinore Elaine und Lancelot zum Hochzeitsgeschenk gemacht hatte. Es war mehr ein Landhaus als eine Burg. In dieser friedlichen Zeit gab es in dieser Gegend nicht mehr viele Festungen. Bis zur Straße hinunter zogen sich große Wiesen. Während Morgaine zum Haus hinaufritt, flog schnatternd eine Schar Gänse auf. Ein prächtig gekleideter Kammerherr begrüßte sie, fragte nach ihrem Namen und dem Zweck ihres Kommens.
»Ich bin Lady Morgaine, Gemahlin des König Uriens von Nordwales. Ich überbringe eine Botschaft Eures Herrn Lancelot.« Man führte Morgaine in ein Gemach, in dem sie sich waschen und erfrischen konnte. Dann geleitete man sie in die Große Halle, wo in der Ecke ein Feuer brannte. Man brachte ihr Weizenkuchen mit Honig und eine Flasche Wein. Morgaine empfand das Zeremoniell ermüdend – schließlich war sie eine Verwandte und kein Staatsgast. Nach einiger Zeit spähte ein Knabe durch den Türspalt, kam herein, als er bemerkte, daß sie allein war. Er hatte blonde Haare, blaue Augen und goldene Sommersprossen im Gesicht. Morgaine wußte sofort, wen sie vor sich hatte, obwohl er seinem Vater in keiner Hinsicht glich.
»Bist du Lady Morgaine, die man Morgaine, die Fee, nennt?«
Morgaine antwortete: »Gewiß, und ich bin deine Tante, Galahad.«
»Woher weißt du meinen Namen?« erkundigte er sich mißtrauisch. »Bist du eine Zauberin? Warum nennen dich die Leute Morgaine, die Fee?«
Sie sagte: »Weil ich dem alten Königsgeschlecht von Avalon entstamme und dort aufgewachsen bin. Es hat nichts mit Zauberei zu tun, daß ich deinen Namen kenne, denn du siehst aus wie deine Mutter. Sie ist auch meine Verwandte.«
»Mein Vater heißt auch Galahad«, erzählte der Knabe. »Aber die Sachsen nennen ihn Elfenpfeil.«
»Ich bin gekommen, um dir Grüße von deinem Vater zu überbringen… deiner Mutter und deinen Schwestern ebenfalls«, sagte Morgaine.
»Nimue ist dumm«, sagte Galahad. »Sie ist ein Mädchen und schon fünf Jahre alt. Aber als mein Vater kam, weinte sie und ließ sich nicht von ihm auf den Arm nehmen und küssen, weil sie ihn nicht erkannte. Kennst du meinen Vater?«
»O ja«, antwortete Morgaine. »Seine Mutter war die Herrin vom See, meine Ziehmutter und meine Tante.«
Er runzelte wieder
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