Die Nebel von Avalon
mit Euch darüber unterhalten.«
»Es wäre mir ein Vergnügen«, erwiderte Isotta höflich. Lancelot blickte auf und erklärte: »Ich habe ihr auch gesagt, daß Ihr eine große Sängerin seid, Morgaine. Werdet Ihr heute für uns die Harfe spielen?«
»Wenn Kevin hier ist? Mit ihm kann ich mich nicht messen«, erwiderte Morgaine. Gwenhwyfar fiel ihr schnell ins Wort. »Ich wünschte, Artus würde auf mich hören und diesen Menschen vom Hof verbannen. Ich möchte keine Zauberer und Hexenmeister auf Camelot haben. So ein entstelltes Gesicht muß ein Zeichen innerer Schlechtigkeit sein! Ich weiß nicht, wie Ihr ertragen könnt, daß er Euch berührt, Morgaine… Man sollte glauben, eine Frau, die auf sich hält, würde bei seiner Berührung krank werden. Aber Ihr umarmt und küßt ihn, als sei er Euer Verwandter…«
»Ganz sicher«, erklärte Morgaine, »mangelt es mir in jeder Hinsicht an Schicklichkeit, und ich bin froh darüber.«
Isotta von Cornwall sagte mit ihrer sanften, lieblichen Stimme: »Wenn das Äußere eines Menschen seinem Inneren ähnelt, muß Kevins Musik ein Zeichen für uns sein, Gwenhwyfar, daß sich in seinem Körper die Seele eines Engels verbirgt. Kein böser Mensch könnte so spielen wie er.«
Artus war zu ihnen getreten und hatte die letzten Worte gehört. Er sagte: »Und doch möchte ich meine Königin nicht durch die Gegenwart eines Menschen beleidigen, den sie verabscheut… Aber ich besitze auch nicht die Anmaßung, einen Künstler wie Kevin zu bitten, für jemanden zu spielen, der seine Musik nicht in Dankbarkeit würdigen kann.« Er klang verärgert.
»Morgaine, wirst du für uns spielen?«
»Meine Harfe ist in Wales«, antwortete sie. »Vielleicht ein andermal, wenn mir jemand eine Harfe leiht. In der Halle sind so viele Menschen, und es ist so laut, mein Gesang würde im Lärm untergehen… Lancelot spielt ebenso gut Harfe wie ich.«
Lancelot stand hinter dem König und schüttelte den Kopf. »O nein. Ich kann zwar eine Saite von der anderen unterscheiden, weil meine Mutter mir eine Harfe in die Hand drückte, sobald ich sie halten konnte. Aber ich besitze weder Morgaines Begabung noch kann ich so gut singen wie der Neffe von Marcus… Habt Ihr Drustan schon einmal spielen hören, Morgaine?«
Sie schüttelte den Kopf, und Isotta sagte: »Ich werde ihn bitten, für uns zu spielen.«
Sie schickte einen Pagen zu ihm, und Drustan trat zu ihnen. Er war ein schlanker junger Mann mit dunklen Augen und dunklem Haar. Morgaine dachte:
Er sieht Lancelot tatsächlich ähnlich.
Isotta bat ihn zu spielen. Er ließ seine Harfe bringen, setzte sich ihnen zu Füßen und spielte eine bretonische Weise. Es war ein schlichtes, trauriges Lied in einer alten Tonart, und Morgaine mußte an das ferne Land Lyonness denken, das vor der Küste von Tintagel für immer versunken war. Ja, Drustan konnte schöner singen als Lancelot, sogar besser als sie selbst. Obwohl er sich mit Kevin nicht messen konnte, war er der beste Harfenspieler, den sie außer ihm je gehört hatte, und seine Stimme klang rein und voll.
Artus fragte leise: »Wie geht es dir, Schwester? Du bist lange nicht in Camelot gewesen… Wir haben dich vermißt.«
»Wirklich?« fragte Morgaine zurück. »Ich dachte, du hättest mich deshalb nach Nordwales verheiratet… damit meine Herrin«, sie machte eine ironische Verbeugung in Richtung Gwenhwyfar, »… nicht durch den Anblick eines Menschen beleidigt wird, den sie verabscheut, sei es Kevin oder mich.«
»Wie kannst du so etwas sagen?« erwiderte Artus. »Ich liebe dich, Morgaine, und das weißt du. Uriens ist ein guter Mann, und er scheint dich zu verehren… er hängt geradezu an deinen Lippen! Ich wollte einen liebenswerten Mann für dich finden, Morgaine, einen Mann mit Söhnen, der dir nicht vorwerfen würde, daß du ihm keine Kinder schenken kannst. Und ich habe mich gefreut, heute deinen prächtigen jungen Stiefsohn zu einem meiner Gefährten zu machen. Was kannst du mehr verlangen, Schwester?«
»Ja, was sonst noch?« antwortete Morgaine. »Was könnte eine Frau sich mehr wünschen als einen guten Gemahl, der alt genug ist, um ihr Großvater zu sein und ein Reich am Ende der Welt… Ich sollte mich vor dir verbeugen und dir auf meinen Knien danken, Bruder!«
Artus wollte ihre Hand ergreifen. »Ich glaubte doch nur, dir damit einen Gefallen zu tun, Schwester. Uriens ist zu alt für dich. Aber er wird nicht ewig leben. Ich wollte dich wirklich glücklich machen.«
Zweifellos
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