Die Nebel von Avalon
überhaupt noch möglich wäre. Wie können alle so sicher sein, daß sie unfruchtbar bleibt?
Aber Niniane hatte mit großer Gewißheit gesprochen, und so stellte sie keine weiteren Fragen. In Avalon besaß man genug Zauberkräfte, und zweifellos hatten sie verschwiegene Augen und Hände an Artus' Hof. Avalon wünschte bestimmt nicht, daß die lammfromme Gwenhwyfar Artus einen Erben schenkte… jetzt nicht mehr.
»Artus hat einen Sohn«, sprach Niniane weiter. »Zwar ist seine Zeit noch nicht gekommen, aber es gibt ein Reich, das er haben kann… ein Ort, von dem die Rückeroberung des Landes für Avalon ausgehen kann. In alter Zeit galt der Sohn des Königs wenig, der Sohn der Herrin aber alles. Der Sohn der Schwester des Königs wurde sein Erbe… du verstehst mich, Morgaine?«
Accolon muß König von Nordwales werden.
Morgaine verstand, und dann hörte sie Ninianes unausgesprochene Worte:
Und dein Sohn… ist König Artus
'
Sohn.
Jetzt wurde alles verständlich, selbst ihre Unfruchtbarkeit nach Gwydions Geburt. Aber sie fragte: »Was geschieht mit Artus' Erben, Lancelots Sohn?«
Niniane zuckte mit den Schultern, und Morgaine überlegte entsetzt, ob man beabsichtige, Nimue die gleiche Macht über Galahad zu geben wie ihr einst über Artus.
»Ich kann nicht alles sehen«, antwortete Niniane. »Wärst du Herrin hier… aber die Zeit geht weiter. Wir müssen andere Pläne machen. Noch kann Artus seinen Schwur einlösen und das Schwert Excalibur behalten. Damit steht uns ein Weg offen. Wenn er das nicht tut, gibt es einen anderen Weg, der vorbereitet wird, und hierfür müssen wir beide unsere Aufgabe erfüllen. So oder so, Accolon muß im Westen herrschen, und das zu erreichen, ist deine Sache. Der nächste König wird von Avalon aus regieren. Wenn Artus stürzt… obwohl seine Sterne verheißen, daß er lange zu leben hat… wird sich der König von Avalon erheben. Wenn nicht, so verkünden die Sterne, wird Dunkelheit über dieses Land hereinbrechen, als habe es Artus nie gegeben. Und wenn der nächste König die Macht ergreift, wird Avalon in den Hauptstrom der Zeit und der Geschichte zurückkehren… dann wird es einen Vasallenkönig im Westen geben, der über die Stämme herrscht. Als dein Gefährte wird Accolon hoch erhoben werden… und es ist deine Pflicht, das Land für den großen König aus Avalon vorzubereiten.«
Wieder senkte Morgaine den Kopf und sagte: »Ich bin in deiner Hand.«
»Kehre jetzt zurück«, erklärte Niniane. »Aber etwas mußt du noch wissen. Seine Zeit ist noch nicht gekommen… und auf dich wartet noch eine andere Aufgabe.«
Sie hob die Hand. Eine Tür öffnete sich, und als habe er bereits im Vorraum gewartet, trat ein großer junger Mann ein. Morgaine rang bei seinem Anblick nach Luft. Der Schmerz war so groß, daß sie glaubte, nicht atmen zu können. Vor ihr stand der wiedergeborene Lancelot… jung und schlank wie eine dunkle Flamme.
Die Locken ringelten sich um seine Wangen, und er lächelte sie aus einem schmalen, dunklen Gesicht an… So hatte Lancelot an dem Tag ausgesehen, als sie zusammen im Schatten der Ringsteine lagen – die Zeit schien wie im Feenreich aufgehoben zu sein… Dann wußte sie, wer es sein mußte. Der junge Mann trat vor und beugte sich über ihre Hand. Wie Lancelot bewegte er sich auf geschmeidige, anmutige Weise. Aber er trug die Gewänder eines Barden. Auf seiner Stirn sah sie den kleinen eingeritzten Fruchtbecher einer Eichel, und um seine Handgelenke ringelten sich die Schlangen von Avalon.
Wenn Galahad König über dieses Land werden soll, wird mein Sohn dann der Merlin, sein Schatten, der dunkle Zwilling und das Opfer sein?
Morgaine schien sich plötzlich zwischen Schatten zu bewegen. König und Druide, der helle Schatten saß neben Artus als Königin auf dem Thron, und sie, die Artus' Schattensohn geboren hatte… war die dunkle Herrin der Macht.
Morgaine wußte, sie würde etwas Dummes sagen. »Gwydion, du bist anders als dein Vater.«
»Gewiß«, erwiderte er und schüttelte den Kopf. »In mir fließt das Blut von Avalon. Ich habe Artus einmal gesehen… auf seiner Pilgerfahrt nach Glastonbury, zur Insel der Priester… ich trug das Gewand eines Priesters und blieb unerkannt. Unser König Artus beugt sich zu sehr vor den Kirchenmännern.«
Ein gefährliches, raubtierartiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du hast keinen Grund, deine Eltern zu lieben, Gwydion«, sagte Morgaine und drückte seine Hand. Sie nahm den eiskalten,
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