Die Nebel von Avalon
mich vor dem Regen geschützt. Ich habe ihn einem großen Häuptling aus einem fernen Land abgenommen. Er kämpfte in einer der Legionen des Mannes, der sich Kaiser Lucius nannte. Artus' Ritterschaft hat ihn schnell geschlagen, das kannst du mir glauben. Und es gab genug Beute für alle… Ich habe einen silbernen Becher und einen goldenen Ring im Gepäck für dich, Mutter.«
»Du hast in Artus' Herr gekämpft?« fragte Morgause. Sie hätte das nie für möglich gehalten. Gwydion sah ihr überraschtes Gesicht und lachte.
»Gewiß, ich kämpfte unter diesem großen König, der mich gezeugt hat«, sagte er mit einem verächtlichen Grinsen. »Oh, keine Angst, ich hatte meine Befehle aus Avalon. Ich kämpfte unter den Männern von Ceardig, dem Sachsenhäuptling, der mich liebt. Ich achtete darauf, Artus nicht zu begegnen. Gawain erkannte mich nicht, und Gareth bekam ich nicht zu Gesicht… oder höchstens, wenn ich einen solchen Umhang trug… Ich verlor meinen Mantel in der Schlacht und fürchtete, wenn ich einen Umhang aus Lothian trüge, würde Gareth sich um einen verwundeten Landsmann kümmern. Deshalb nahm ich mir diesen hier…«
»Gareth würde dich überall erkennen«, sagte Morgause, »und ich hoffe, du glaubst nicht, dein Ziehbruder würde dich je verraten.« Gwydion lächelte. Morgause dachte:
Er sieht aus wie der kleine Junge, der einmal auf meinem Schoß saß.
Gwydion sagte: »Ich sehnte mich danach, Gareth zu sagen, wer ich war, besonders nachdem man mich verwundet hatte und ich mich sehr schwach fühlte. Aber Gareth ist Artus' Mann. Er liebt seinen König. Ich konnte es sehen und wollte dem liebsten meiner Brüder eine solche Last nicht aufbürden. Gareth, Gareth ist der einzige…«
Er sprach nicht weiter. Aber Morgause wußte sehr wohl, was er sagen wollte. Gwydion war überall ein Fremder, aber Gareth war sein Bruder und geliebter Freund. Unvermittelt lachte er laut, und das
schüchterne Lächeln verschwand, durch das er so jung gewirkt hatte. »Bei den Sachsen wurde ich wieder und wieder gefragt, ob ich Lancelots Sohn sei, Mutter. Ich selbst kann keine große Ähnlichkeit mit diesem Ritter entdecken. Aber schließlich kenne ich mein Gesicht auch nicht so genau… ich blicke nur beim Bartscheren in den Spiegel!«
»Ja«, antwortete Morgause, »jeder, der Lancelot kennt, besonders aus seiner Jugendzeit, muß dich für einen Verwandten von ihm halten.«
»Das habe ich auch gesagt… ich habe mir einen bretonischen Tonfall zugelegt und behauptet, ich sei auch mit dem alten König Ban verwandt«, erklärte Gwydion. »Aber man sollte doch glauben, daß unser Lancelot mit seinem Gesicht, auf das alle Frauen fliegen, genug Bastarde in die Welt gesetzt hat. Es kann doch nicht alle Welt in Erstaunen versetzen, wenn jemand mit seinem Gesicht herumläuft! Habe ich nicht recht?« fragte er. »Aber alles, was ich über Lancelot gehört habe, ist, daß er vermutlich einen Sohn mit der Königin gezeugt hat und daß das Kind heimlich weggebracht und von einer Verwandten der Frau großgezogen wurde, die man mit Lancelot verheiratete… Es gibt viele Geschichten über die Königin und ihren Ritter, und eine ist schlimmer als die andere. Aber in einem sind alle gleich. Für jede andere Frau hat Lancelot nichts außer höflichen und edlen Worten übrig. Ich begegnete sogar Frauen, die sich mir an den Hals warfen und sagten, wenn sie schon Lancelot nicht haben könnten, wollten sie wenigstens seinen Sohn…« Er lachte wieder. »Der galante Lancelot muß es wirklich schwer gehabt haben. Ich weiß schöne Frauen schon zu schätzen, aber wenn sie sich mir so aufdrängen…« Er zuckte in komischer Verzweiflung die Schultern, und Morgause mußte lachen.
»Dann haben die Druiden dir das nicht genommen, mein Sohn?« »O nein«, erwiderte er. »Aber die meisten Frauen sind dumm. Deshalb gebe ich mir nicht die Mühe, mich mit ihnen einzulassen, vor allem, wenn sie erwarten, daß ich sie als etwas Besonderes behandle. Ich werde auch nicht darauf hören, was sie mir sagen… Mutter, du hast mich für dumme Frauen verdorben!«
»Wie schade, daß man von Lancelot nicht das gleiche sagen kann«, erwiderte Morgause, »denn jeder Mensch weiß, daß Gwenhwyfar gerade genug Verstand besitzt, ihrem Mann
keinen
Kuckuck ins Nest zu setzen. Und wenn es um Lancelot geht, verläßt sie das bißchen auch noch.« Morgause dachte:
Du hast Lancelots Gesicht, mein Junge, aber den Verstand deiner Mutter!
Als habe er ihre Gedanken gelesen,
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