Die Nebel von Avalon
Prüfung gehen sollen. Aber Accolon hatte sich ihr unterzogen, wie es ihm beschieden war. Und etwas, das weit über ihren schwachen Kräften stand, hatte ihn angenommen.
Kalte Angst ergriff Morgaine, und sie blickte in sein lächelndes, geliebtes Gesicht. Er war angenommen worden. Aber das bedeutete nicht, daß er auch siegen würde. Es hieß nur, daß er die letzte Prüfung wagen konnte, für die der heutige Tag der Anfang gewesen war.
Solche Gefühle hatte ich nicht als Frühlingskönigin, als ich Artus – der für mich noch nicht mein Bruder war – zu seiner Prüfung ausschickte. Oh, Große Göttin, wie jung war ich damals! Wie jung waren wir beide… gnädig jung, denn wir wußten nicht, was wir taten. Jetzt bin ich alt genug, um es zu erkennen. Doch wie soll ich den Mut aufbringen, ihn auszuschicken, um dem Tod zu begegnen?
3
Am Vorabend des Pfingstfestes tafelten mit Artus und Gwenhwyfar nur Gäste, die dem Thron durch Familienbande nahestanden. Am nächsten Tag würde das übliche Bankett für Artus' Vasallen und die Gefährten stattfinden. Gwenhwyfar kleidete sich sorgfältig an und spürte, daß ihr heute die größere Prüfung bevorstand. Seit langem hatte sie sich in das Unvermeidliche gefügt. Ihr Gemahl und Gebieter würde morgen durch sein Handeln öffentlich und unwiderruflich bestätigen, was seit langem bekannt war: Morgen sollte Galahad zum Ritter geschlagen und in die Tafelrunde aufgenommen werden.
Oh, sie wußte es seit Jahren. Aber früher war Galahad für sie nur ein blonder Knabe gewesen, der irgendwo in König Pellinores Land aufwuchs. Dieser Gedanke hatte ihr sogar gefallen. Er war Lancelots Sohn, und ihre Base Elaine war seine Mutter. Elaine war inzwischen im Kindbett gestorben. Galahad war eine gute Wahl, aber jetzt sah sie in ihm nur einen lebendigen Vorwurf. Sie war die alternde Königin, die unfruchtbar geblieben war.
»Du bist nicht glücklich«, bemerkte Artus, der beobachtete, wie sie sich die Krone aufsetzte. »Es tut mir leid, Gwenhwyfar… Ich dachte, es sei ein Weg, den jungen Mann kennenzulernen. Und ich muß ihn kennen, wenn er meinen Thron besteigen soll. Soll ich ihnen sagen, du bist krank? Du mußt nicht an der Tafel erscheinen… du kannst ihn ein andermal begrüßen.«
Gwenhwyfar preßte die Lippen zusammen: »Heute oder später. Was macht das für einen Unterschied?«
Er ergriff ihre Hand. »Ich sehe Lancelot nicht mehr oft… es wird schön sein, wieder einmal mit ihm zu sprechen.« Die Königin verzog den Mund, und sie wußte, es war nicht das Lächeln, das sie beabsichtigt hatte. »Ich wundere mich, daß du es hinnimmst… Haßt du ihn nicht?«
Artus lächelte unbehaglich. »Wir waren damals alle soviel jünger. Wir schienen in einer anderen Welt zu leben. Lance war mein bester und ältester Freund, beinahe ebenso mein Bruder wie Cai.«
»Cai ist auch dein Bruder«, erwiderte Gwenhwyfar. »Sein Sohn Artus ist einer deiner treuesten Ritter. Mir scheint, er wäre ein besserer Erbe als Galahad…«
»Der junge Artus ist ein guter Kämpe und ein verläßlicher Gefährte. Aber Cai ist nicht von königlichem Geblüt. Weiß Gott, ich habe in all diesen Jahren oft genug gewünscht, Ectorius wäre mein richtiger Vater gewesen… Aber er war es nicht, und darüber gibt es nichts mehr zu reden, Gwenhwyfar.« Er zögerte – seit dem anderen schrecklichen Pfingstfest hatte er nicht mehr darüber gesprochen – und sagte dann: »Ich habe gehört… der andere junge Mann, Morgaines Sohn… ist in Avalon.«
Gwenhwyfar hob die Hand, wie um einen Schlag abzuwehren. »Nein…!«
»Ich werde darauf achten, daß du ihm nie begegnen mußt«, sagte er, ohne sie anzusehen. »Aber königliches Blut ist königliches Blut, und ich muß etwas für ihn tun. Meinen Thron kann er nicht haben, die Priester würden es nicht dulden…«
»Oh!« erwiderte Gwenhwyfar, »und wenn die Priester es dulden würden… ich glaube, du würdest Morgaines Sohn wirklich zum Erben ausrufen…«
»Es wird Leute geben, die sich wundern, daß er es nicht ist«, erklärte Artus. »Möchtest du, daß ich versuchen muß, es ihnen zu erklären?«
»Dann sorge dafür, daß er nie nach Camelot kommt«, erwiderte Gwenhwyfar und dachte,
ich wußte nicht, daß meine Stimme so schrill klingt, wenn ich wütend bin.
»Was hat jemand an diesem Hof zu suchen, der in Avalon zum Druiden gemacht worden ist?«
Artus erwiderte trocken: »Der Merlin von Britannien ist einer meiner Ratgeber. Und er ist schon immer Druide
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