Die Nebel von Avalon
was sie wollen.«
Gareth wirkte immer noch betrübt. »Tue, was du willst, Bruder. Dann bleibe eben bei unserer Mutter. Lamorak wird an Lancelots Seite kämpfen.« Gareth küßte seiner Mutter die Hand und ging davon. Beunruhigt wollte Morgause Gwydion nach seiner Vision fragen. Aber der junge Ritter starrte finster auf den Boden, und sie unterließ es. Statt dessen fragte sie: »Wenn schon ein Ritter an meiner Seite sitzen wird… bringst du mir bitte noch einen Becher Wasser, ehe wir zurückgehen?«
»Gewiß, Mutter«, antwortete er und ging zu den Wasserfässern. Morgause hatte für das Getümmel des letzten Kampfes nicht viel übrig. Die Sonne verursachte ihr Kopfschmerzen, und sie sehnte das Ende des Turniers herbei. Inzwischen war sie auch hungrig, und von ferne konnte man bereits den Duft des bratenden Fleisches riechen.
Gwydion saß neben ihr und erklärte das Geschehen. Sie verstand wenig von den Besonderheiten des Kampfes und begeisterte sich auch nicht sonderlich dafür. Aber sie bemerkte, daß Galahad sich gut hielt und zwei Reiter aus dem Sattel hob. Das überraschte sie, denn er schien ein so sanfter junger Mann zu sein. Aber auch Gareth war ihr als sanftes Kind erschienen, und inzwischen galt er als einer der gefürchtetsten Kämpen. Am Ende nahm er für die Partei des Königs, die Gawain angeführt hatte, den Preis entgegen. Es überraschte niemand, daß in Lancelots Partei Galahad den Preis gewann – das war üblich, wenn ein junger Mann am Tag des Turniers zum Ritter geschlagen worden war.
»Du hättest auch einen Preis gewinnen können, Gwydion«, sagte Morgause. Er aber schüttelte lachend den Kopf. »Ich brauche ihn nicht, Mutter. Warum sollte ich meinem Vetter den Tag verderben. Und Galahad hat sich gut geschlagen… niemand wird ihm den Preis mißgönnen.«
Es wurden noch viele kleinere Preise verteilt. Danach ließen die Ritter sich von ihren Knappen von Kopf bis Fuß mit Wasser begießen und kleideten sich um. Morgause ging zusammen mit den Damen des königlichen Haushalts in ein Gemach, wo sie sich die Gewänder und Frisuren richten konnten und Wasser bereitstand, um sich Staub und Schweiß abzuwaschen.
»Was denkst du darüber?« fragte Morgause. »Hat Lancelot sich Gwydion zum Feind gemacht?«
Morgaine antwortete: »Ich glaube nicht. Du hast doch gesehen, wie herzlich sie sich umarmt haben.«
»Sie sahen aus wie Vater und Sohn«, sagte Morgause. »Wären sie es doch nur.«
Mit versteinertem Gesicht erwiderte Morgaine: »Es ist viele Jahre zu spät, Tante, um das zu wünschen.«
Morgause dachte:
Vielleicht hat sie vergessen, daß ich weiß, wer der Vater ihres Sohnes ist.
Aber angesichts Morgaines eisiger Ruhe konnte sie nur sagen: »Soll ich dir die Zöpfe flechten?« Sie griff nach dem Kamm, als Morgaine ihr den Rücken zuwandte. »Gwydion – Mordred«, sagte sie beim Kämmen, »hat weiß Gott geschickt gehandelt. Er hat sich durch Kühnheit und Tapferkeit seinen Platz errungen und muß von Artus nichts um der Verwandtschaft willen erbitten. Die Sachsen haben ihm den richtigen Namen gegeben. Aber ich wußte bisher nicht, daß er ein so guter Kämpfer ist. Es ist ihm wirklich gelungen, den Ruhm des Tages davonzutragen. Galahad hat den Preis. Aber alle werden nur davon reden, was Mordred gewagt hat.«
Eine der Hofdamen trat zu ihnen. »Lady Morgaine, ist der edle Mordred Euer Sohn? Ich wußte nicht, daß Ihr einen Sohn geboren habt…«
Morgaine antwortete freundlich: »Ich war sehr jung, als er zur Welt kam. Königin Morgause hat ihn großgezogen. Ich hatte beinahe selbst vergessen, daß ich überhaupt einen Sohn habe.«
»Ihr müßt sehr stolz auf ihn sein. Und wie gut er aussieht! So gut wie Lancelot«, schwärmte die Frau mit glänzenden Augen.
»Gewiß, das stimmt«, pflichtete ihr Morgaine höflich bei. Und nur Morgause, die sie gut kannte, wußte, daß sie wütend war. »Ich wage zu behaupten, es ist für beide nicht ganz angenehm. Aber Lancelot und ich sind nahe Verwandte. Als kleines Mädchen sah ich ihm ähnlicher als meinem Bruder. Unsere Mutter war groß und hatte rote Haare wie Königin Morgause. Aber Viviane, die Herrin vom See, entstammte dem Alten Volk von Avalon.«
»Wer ist denn sein Vater?« erkundigte sich die Frau, und Morgause bemerkte, wie Morgaine die Hände ballte. Aber Mordreds Mutter antwortete mit einem liebenswürdigen Lächeln: »Er ist ein Beltanekind, und alle Kinder, die im Hain empfangen werden, gehören der Göttin. Ihr erinnert Euch doch
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