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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Mädchen, deren Brüste sich kaum wölbten… was konnten sie vom Leben der Göttin wissen, die das Leben der Welt war? Noch einmal schien der markerschütternde Schrei durch Avalon zu schallen und alles aufzuschrecken. Aber als Morgaine fragte: »Habt ihr es jetzt gehört?«, sahen die Mädchen sie verständnislos an und erwiderten: »Träumt Ihr mit offenen Augen?« Morgaine begriff, daß der entsetzte Aufschrei nicht wirklich zu hören war. Sie sagte: »Ich will zu ihr gehen…«
    »Aber das könnt Ihr nicht…«, sagte eine von ihnen und wich dann mit offenem Mund zurück, als sie endlich begriff, wer vor ihr stand. Sie verbeugte sich, und Morgaine ging an ihr vorüber. Raven saß aufgerichtet im Bett. Die langen Haare umgaben wirr ihren Kopf, und in ihren Augen stand Entsetzen. Im ersten Augenblick glaubte Morgaine, sie habe wirklich nur den Aufschrei eines bösen Traums vernommen und dachte, Raven irre noch in den Traumwelten umher… Aber die Priesterin schüttelte den Kopf. Sie war hellwach und bei klarem Verstand. Sie holte tief Luft, und Morgaine wußte, sie kämpfte um Worte, um das jahrelange Schweigen zu durchbrechen. Aber die Stimme wollte ihr nicht gehorchen.
    Schließlich sagte Raven am ganzen Körper bebend: »Ich habe es gesehen… Ich habe es gesehen… Verrat, Morgaine, im Heiligtum von
    Avalon… Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber ich sah das Heilige Schwert Excalibur in seiner Hand…«
    Morgaine beruhigte sie mit einer Geste und erklärte: »Wenn die Sonne aufgeht, werden wir in den Spiegel blicken. Quäle dich nicht damit, davon zu künden, liebe Raven.« Sie zitterte noch immer. Morgaine drückte Ravens Hand und sah im zuckenden Fackelschein, daß ihre eigene Hand faltig war und übersät von dunklen Altersflecken. Ravens Finger umklammerten ihre Hand wie verdrehte Wurzeln.
Wir sind alt,
dachte sie,
wir beide. Wir kamen als Mädchen hierher, um Viviane zu dienen

oh, Göttin, wie die Jahre vergehen…
    »Aber ich muß sprechen«, flüsterte Raven. »Ich habe zu lange geschwiegen… Ich habe geschwiegen, obwohl ich dies befürchtete… Hörst du den Donner und den Regen…? Ein Sturm zieht auf, ein Sturm bricht über Avalon herein und wird es in seinen Fluten mit sich reißen… Dunkelheit senkt sich über das Land…«
    »Sei ruhig, meine Liebe«, flüsterte Morgaine und legte die Arme um die zitternde Frau. Sie fragte sich, ob Raven den Verstand verloren hatte, ob sie im Fieber sprach oder einem Wahn verfallen war. Draußen grollte kein Donner, es regnete nicht. Der Mond schien strahlend über Avalon, und die blühenden Apfelbäume leuchteten weiß im silbernen Licht.
    »Fürchte dich nicht. Ich bleibe bei dir. Morgen wollen wir in den Spiegel blicken und sehen, was davon Wirklichkeit ist.«
    Raven lächelte traurig. Sie löschte Morgaines Fackel, und in der plötzlichen Dunkelheit sah Morgaine in der Ferne einen zuckenden Blitz. Tiefstes Schweigen noch, dann rollte von weit her der Donner über das Land. »Ich träume nicht, Morgaine. Der Sturm zieht herauf, und ich fürchte mich. Du bist mutiger als ich. Du hast in der Welt draußen gelebt und kennst wirkliches Leid, nicht nur die Träume… Aber jetzt muß ich vielleicht hinausgehen und das Schweigen brechen… ich fürchte mich…«
    Morgaine legte sich neben sie und zog die Decke über sie beide. Sie nahm die noch immer bebende Raven in die Arme, und nachdem sie sich beruhigt hatte, lauschte sie auf den Atem der anderen. Sie erin
    nerte sich an die Nacht, nachdem sie Nimue hierhergebracht hatte. Damals war Raven zu ihr gekommen und hatte sie in Avalon willkommen geheißen…
    Wieso erscheint mir Ravens Liebe heute als die wahre Liebe…? Keine meiner anderen Lieben war so aufrichtig…
    Aber sie hielt Raven, die ihr den Kopf an die Schulter gelegt hatte, nur sanft im Arm und beruhigte sie. Nach langer Zeit schreckte sie ein heftiger Donnerschlag auf, und Raven flüsterte: »Hörst du?«
    »Beruhige dich, meine Liebe, es ist nur ein Gewitter.«
    Noch während sie sprach, ging ein heftiger Regen nieder, und es wurde kalt im Gemach. Morgaine drückte schweigend Ravens Hand und dachte:
Es ist nur ein Gewitter.
Aber etwas von Ravens Entsetzen teilte sich ihr mit, und sie zitterte.
Ein Sturm wird sich erheben und Camelot vernichten. Er wird den Frieden zerstören, den Artus dem Land gebracht hat…
    Morgaine versuchte, das Gesicht zu senken, aber der Donner schien alle ihre Gedanken unter sich zu begraben. Sie konnte sich nur an

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