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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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die hohen Mauern. Aber schließlich wendete er und ritt davon. Igraine fragte sich, ob es ein Bote mit Nachrichten für sie gewesen war, dem die Wachen den Zugang verwehrten.
    Eine Gefangene in der Burg ihres Gemahls, das war sie also! Er mochte sagen oder sogar selbst glauben, daß er sie zu ihrem eigenen Schutz vor dem Aufruhr im Land hier oben gelassen hatte. Aber die Wahrheit sah ganz anders aus. Gorlois hielt sie aus Eifersucht gefangen.
    Sie überprüfte ihre Vermutung ein paar Tage später, als sie den Hauptmann der Wache zu sich rief.
    »Ich will meiner Schwester Viviane eine Nachricht schicken und sie bitten, mich auf Tintagel zu besuchen«, sagte sie. »Sendet einen Boten nach Avalon.«
    Der Mann schien ihrem Blick auszuweichen. Er antwortete: »Ja… also, Herrin… das kann ich nicht. Der Herzog von Cornwall hat ausdrücklich angeordnet, daß alle Männer hierzubleiben haben, um Tintagel im Fall einer Belagerung zu verteidigen.«
    »Könnt Ihr dann nicht einen Reiter aus dem Dorf damit beauftragen, wenn ich ihn gut entlohne?«
    »Der Herzog sähe das nicht gern, Herrin. Es tut mir leid.«
    »Ach so«, antwortete Igraine und schickte ihn weg.
    Sie war noch nicht so verzweifelt, daß sie versuchen würde, einen der Männer zu bestechen. Aber je länger sie darüber nachdachte, desto größer wurde ihr Zorn. Wie konnte Gorlois es wagen, sie hier gefangenzuhalten! Sie, eine Schwester der Herrin von Avalon. Sie war seine Gemahlin, nicht seine Sklavin und Dienerin! Schließlich entschloß sie sich zu einem verzweifelten Schritt.
    Man hatte sie nicht zur Seherin ausgebildet. Früher, als Mädchen, hatte sie diese Gabe gelegentlich, einem plötzlichen Einfall folgend, eingesetzt. Aber als erwachsene Frau hatte sie es nie getan – mit Ausnahme ihrer kurzen Vision von Viviane. Und seit sie Gorlois als Todgeweihten gesehen hatte, verschloß sie sich energisch weiteren Gesichten.
Diese Vision –
und die Götter waren Zeuge – hatte zu nichts geführt, denn Gorlois war noch immer sehr lebendig. Aber sie vermutete, daß es ihr irgendwie gelingen würde zu sehen, was geschehen sollte. Es war ein gefährliches Unterfangen. Igraine war mit Geschichten über Menschen aufgewachsen, die sich in Künsten versuchten, in denen sie nicht ausgebildet waren. Und so versuchte sie es zunächst mit einem Kompromiß.
    Als die ersten Blätter gelb wurden, rief sie den Burghauptmann wieder zu sich. »Ich kann nicht ewig wie eine Ratte in der Falle sitzen«, sagte sie bestimmt. »Ich muß auf den Markt. Wir müssen Farben kaufen. Wir brauchen eine neue Milchziege, Nadeln und viele andere Dinge für den Winter.«
    »Herrin, ich habe keinen Befehl, Euch zu erlauben, die Burg zu verlassen«, erwiderte der Mann und schlug die Augen nieder. »Ich nehme Befehle nur von meinem Herrn entgegen, und ich habe nichts von ihm gehört.«
    »Dann werde ich hierbleiben und eine meiner Frauen schicken«, beharrte Igraine. »Ettarr kann gehen oder Isotta, und die Dame Morgause soll sie begleiten… ist es so recht?« Der Hauptmann wirkte erleichtert; sie hatte eine Lösung gefunden, die ausschloß, daß er seinem Herren untreu wurde. Es war notwendig, daß man noch vor dem Winter den Markt besuchte. Er wußte das ebenso gut wie Igraine. Es war unerhört, die Herrin des Hauses an der Erfüllung einer ihrer wichtigsten Pflichten zu hindern. Morgause war begeistert, als Igraine ihr auftrug, die Besorgungen zu überwachen.
Kein Wunder. Niemand von uns hat die Burg in diesem Sommer verlassen. Selbst die Hirten sind freier als wir, denn sie können ihre Schafe wenigstens zum Weiden auf das Festland bringen!
    Igraine beobachtete mit unverhülltem Neid, wie Morgause den roten Umhang anlegte, den Gorlois ihr geschenkt hatte, und unter der Obhut von zwei Bewaffneten und in Begleitung von Ettarr, Isotta und zwei Küchenmägden, die die Einkäufe zu tragen hatten, auf ihrem Pony davonritt. Sie stand vor dem Burgtor, hielt Morgaine an der Hand und sah ihnen nach, bis die Gruppe ihren Blicken entschwand. Igraine glaubte, es fast nicht ertragen zu können, in die Burg zurückzukehren, die für sie zum Gefängnis geworden war.
    »Mutter«, fragte Morgaine an ihrer Seite, »warum können wir nicht mit zum Markt?«
    »Weil dein Vater nicht wünscht, daß wir ausgehen, mein Liebes.«
    »Warum will er das nicht? Denkt er, wir werden unartig sein?«
    Igraine lachte und antwortete: »O ja, ich glaube, das denkt er, meine Tochter.«
    Morgaine schwieg – sie war ein ruhiges,

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