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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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dafür kannst du dankbar sein, Vogt. Du hättest auch deinen Hauptmann verlieren können.«
    Der verächtliche Ausdruck, den Albin bereits kannte, glitt über Wenrichs Gesicht, als der Vogt antwortete: »Der Tausch wäre mir recht gewesen, hätte ich dafür noch die Hunde.«
    »Hüte deine Zunge, Vogt!«, sagte Graman streng. »Du versündigst dich mit solcher Rede.«
    Wenrich maß den Mönch mit einem langen Blick. »Ich bin mir nicht sicher, wer von uns beiden größeren Grund zur Beichte hat.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Graman verunsichert.
    »Du kennst dich mit dem bösen Zauber der Elben so gut aus, als würdest du ihn selbst ausüben. Wie sonst hättest du von der Wirkung des Elbenstaubs wissen können?«
    »Du selbst, Vogt, sowie Graf Guntram und der junge Albin hier, ihr drei habt mir die Wirkung doch beschrieben.«
    »Aber du kanntest das Pulver schon. Woher?«
    Der Schatten plötzlicher Angst zog über Gramans Gesicht. »Es ist meine Aufgabe, mich mit allen Giften vertraut zu machen. Nur auf diese Weise kann ich den Menschen helfen.«
    »Sieh zu, dass du nicht zu vertraut mit den heidnischen Künsten dieses Zwergengezüchts wirst!«, sagte Wenrich in einem Tonfall, der scharf wie ein Schwert klang. »Schon mancher fromme Mann ist dem bösen Zauber verfallen. Ich werde dafür sorgen, dass diese mörderischen Zwerge mitsamt ihren Helfern ausgelöscht werden.«
    Guntram wandte sich an den Vogt. »Von welchen Helfern sprichst du?«
    »Graf Chlodomers Mörder muss Helfer hier im Kloster gehabt haben. Wie sollte er von dem Treffen ge- wusst haben, wie hereingekommen sein? Dieses Zwergenvolk ist eine Ausgeburt des Teufels, und wer mit ihm im Bunde steht, ist ein Handlanger Satans!«
    Während Wenrich das sagte, blickte er abwechselnd Graman und Albin an.
    Wenrichs strenger Blick verfolgte Albin den ganzen Tag lang, während der Findling über die Acker schritt und das Saatkorn ausstreute. Die Zeit für die Herbstaussaat war gekommen und Albins Gruppe aus Knechten und Mägden wurde auf die Gerstenfelder geschickt. Nicht die kleinste Wolke verhüllte das Antlitz der Sonne und den Feldarbeitern rann der Schweiß von Gesichtern und Leibern, dass die Kleider bald an der Haut klebten. Dankbar nahmen sie den Wasserschlauch, der ab und an von einem pausbäckigen Knaben gebracht wurde, und gönnten sich eine kurze Erfrischung. Obwohl von der Sonne erwärmt und abgestanden schmeckend, tat das Wasser den ausgedörrten Mündern und den trockenen Kehlen wohl. Nur Albin sehnte sich nicht nach der Erfrischung. Er dachte weder an Hitze noch an Durst. Sein Leib schritt über die Acker und mit der immer gleichen Bewegung streute er die Gerste in die Furchen, aber sein Geist weilte woanders. Er war so tief in Gedanken versunken, dass er den Wasserträger einmal glatt über den Haufen rannte, wobei ein Teil der Schlauchfüllung im Boden versickerte.
    Die seltsamen Ereignisse der letzten Nacht und des heutigen Morgens beschäftigten Albin. Immer wieder dachte er an den Vogt und an dessen Worte, die wie eine Warnung geklungen hatten. Unversöhnliche
    Rachsucht hatte darin mitgeschwungen und der Blick seiner Augen war stählern gewesen. Wenrich schien kein Schwert zu benötigen, allein mit diesem Blick konnte er einen Mann durchbohren. Je länger Albin daran dachte, desto mehr ließ es ihn erschauern. Warum hatte der Vogt ihn und Graman derart angestarrt? War es ein allgemeines Misstrauen gewesen - oder mehr?
    Als die Glocke der Abtei zur Vesper läutete, war dies zugleich das Zeichen, die Feldarbeit zu beenden. Mit durstigen Kehlen und knurrenden Mägen kehrten Knechte und Mägde in ihre Unterkünfte zurück, um sich für den kommenden Arbeitstag zu stärken. Albin aber steuerte auf kürzestem Weg das Siechenhaus an, das in einer abgelegenen Ecke der Klosteranlage stand. Er hatte eine Menge Fragen und Graman hatte ihm gestern Antworten in Aussicht gestellt.
    Albin hoffte, seinen Ziehvater trotz des Vespergeläuts hier zu finden. Es war gut möglich, dass Graman, wie so oft, den Abendgottesdienst schwänzte; als Infirmarius genoss er große Freiheiten. Im Krankensaal traf Albin aber nur auf Gramans Gehilfen, den Novizen Goswin, der den alten Ambrosius mit einem Brei fütterte. Von Goswin erfuhr der Findling, dass Graman schon vor einiger Zeit in den Kräutergarten gegangen war.
    Dort entdeckte Albin die Umrisse des Gesuchten hinter einem mannshohen Zaun, um dessen einzelne Pfähle sich grüne Pflanzen mit roten Beeren

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