Die Nebelkinder
zwischen den toten Hunden und dem Schwarzbeergebüsch. Albin ging in die Knie und betrachtete die beiden Stoffstreifen.
»Was hast du entdeckt?«, fragte Guntram, der ebenfalls abgestiegen und neben ihn getreten war.
»Der Farbe nach könnte der Stoff vom Rock des Zwergs stammen.«
»Wahrscheinlich ist es so«, nickte Guntram.
»Da ist noch etwas, ein feines Pulver. Du siehst die hellen Körner, wenn du dir den Stoff aus der Nähe betrachtest, Herr. Aber sei vorsichtig, komm dem Pulver nicht zu nahe.«
Guntram beugte sich vor. »Du hast Recht, Bursche. Und du meinst, das Pulver könnte für die Raserei der Tiere verantwortlich sein?«
»Irgendetwas muss sie um den Verstand gebracht haben. Warum nicht dieses Pulver?« Albin ging zu den Büschen und ließ seinen Blick schweifen. »Im Gebüsch ist noch mehr davon verstreut!«
Auch wenn er Findig die Flucht ermöglichen wollte, fühlte Albin sich verpflichtet, seine Begleiter auf das Pulver hinzuweisen. Er wollte nicht, dass Menschen einen ähnlich schrecklichen Tod fanden wie die Hunde.
»Der Zwerg muss das Pulver dort ausgelegt haben«, meinte der Graf. »Ein gerissener Wicht, ganz ohne Frage. Er hat damit gerechnet, dass wir ihn mit Hunden hetzen, und hat hier seine böse Falle aufgestellt. Damit ist er uns wahrhaftig entwischt. Ohne die Hunde ist es aussichtslos, seiner Spur noch weiter zu folgen. Bleibt nur noch eins zu klären: Dieses Pulver, was für ein Teufelszeug ist das nur?«
»Es ist Elbenstaub«, lautete die Antwort.
Graman gab sie zwei Stunden später, als er Volkos Wunden versorgt hatte. Nach dem Tod der Hunde hatte Graf Guntram die Suche abgebrochen, und sie hatten den Verwundeten zurück zum Kloster gebracht. Jetzt lag er im großen Saal des Siechenhauses, wo an die zwanzig Betten in zwei langen Reihen standen, die meisten leer. Nur am anderen Ende des Saales lag schon seit vielen Tagen der altersschwache Bruder Ambrosius, zum Leben zu entkräftet und doch noch nicht zum Sterben bereit, und murmelte eine unverständliche Litanei vor sich hin. Die hölzernen Fensterläden waren sämtlich bis auf einen kleinen Spalt geschlossen. Die Sonne, die draußen endgültig über die Nacht gesiegt hatte, konnte durch diese Spalte nur vereinzelte Lichtfinger in den Krankensaal strecken, was für ein eigentümliches Muster aus hellen Streifen und dunklen Flächen sorgte.
Einer der Lichtstrahlen fiel auf Volkos schweißbedecktes Gesicht. Er lag mit geschlossenen Augen auf dem Strohsack und atmete schwer von dem Schlaftrunk, den Graman ihm vor dem Reinigen und Verbinden der Bisswunden verabreicht hatte. Laut Gramans Auskunft waren die Wunden nur oberflächlich, und der Sturz vom Pferd hatte Volko bloß einige Prellungen und Hautabschürfungen zugefügt. In ein oder zwei Tagen würde der Hauptmann wieder auf den Beinen sein.
Der Infirmarius stand mit Guntram, Vogt Wenrich und Albin in der Nähe des Krankenlagers, als er einen der Stoffstreifen betrachtete, an denen noch das helle Pulver hing. Guntram hatte den Stoff, ohne ihn anzufassen, mit Hilfe eines Astes in einen Lederbeutel geschoben. Im Siechenhaus öffnete Graman den Beutel und betrachtete den Fund, wobei er ebenfalls vermied, das Pulver zu berühren. Er hielt sogar die Luft an und atmete erst, nachdem er den Lederbeutel wieder zugeschnürt hatte.
»Ganz eindeutig Elbenstaub«, wiederholte er. »Ich habe schon viel von dem Pulver gehört, es aber noch nie in den Händen gehalten.«
Wenrich starrte ihn zweifelnd an. »Woher willst du dann wissen, was es ist, Mönch?«
Graman lächelte nachsichtig. »Ich sagte doch, ich habe schon viel davon gehört, Vogt. Was ich über die Wirkung dieses Pulvers vernahm, lässt nur den Schluss zu, dass es sich um Elbenstaub handelt. Die Elben verfügen über verschiedene Sorten jenes Pulvers, die wiederum verschiedene Wirkungen entfalten. Allen gemein ist, dass sie die Sinne desjenigen, der es berührt oder gar einatmet, verwirren.« Er hielt den Lederbeutel hoch. »Diese Sorte des Pulvers löst offenbar einen augenblicklichen Anfall von Raserei aus, Tollwut in seiner übelsten Form. Wir können Gott dem Allmächtigen danken, dass kein Mensch das Zeug eingeatmet hat.«
»Danken?«, kreischte Wenrich erbost und schlug wütend mit der geballten Rechten in die linke Hand, was ein lautes Klatschen erzeugte. »Ich habe die wertvollsten Hunde verloren, die jemals ein Mensch besessen hat! Soll ich dafür dankbar sein?«
Der Infirmarius zeigte zum Krankenlager. »Aber
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