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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Nonus, dass ich keinen Grund zur Furcht habe. Hab Dank für deine erklärenden Worte und verzeih, dass Arne und Arwed deinen Holunder ein wenig zurechtgestutzt haben.«
    Bevor sie ihren Beschützern zum Gästehaus folgte, bedachte sie Albin mit einem Lächeln, das wie eine feurige Klinge tief in sein Herz fuhr. Ein warmes, aufmunterndes Lächeln, das er niemals vergessen würde.
    »Ein aufgewecktes Mädchen ist diese Gerswind«, sagte Graman zu Albin, als sie beide am Essenstisch saßen. »Und sie versteht es, mit ihren Blicken und ihrem Lächeln die Herzen der Männer zu gewinnen. Aber auch wenn sie unsereins als ihresgleichen behandelt, solltest du dich hüten, allzu offenherzig zu ihr zu sein. Wer sein Herz auf der Zunge trägt, bietet es leichtfertig und ungeschützt dem Unverstand oder gar der Böswilligkeit dar.«
    Draußen hatte die Dämmerung eingesetzt und Graman hatte die Läden geschlossen, um die Nachtkälte auszusperren. Nur eine flackernde Talgkerze erhellte den kleinen Raum, der in einem Anbau des Siechenhauses lag. Er grenzte an eine größere Küche, in der Graman seine Kräuter zu verarbeiten pflegte. Der Infirmarius hatte Brot, Käse, Wurst und Ziegenmilch aufgetischt, während Albin sich mit Wasser aus einem Holzzuber wusch. Dankbar hatte er die Einladung des Mönchs zum gemeinsamen Abendmahl angenommen, in der Hoffnung, endlich Antworten auf seine vielen Fragen zu erhalten. Dass Graman ihm jetzt Vorwürfe machte, verwirrte ihn.
    »Du kennst die Menschen wohl weitaus besser, Nonus Graman, aber mir erschien Gerswind weder unverständig noch böswillig.«
    »Die Menschen verstellen sich zuweilen, was uns verborgen bleibt, solange wir ihre Beweggründe nicht kennen. Aber auch wenn Graf Guntrams Tochter es ehrlich meint, wissen wir nicht, was ihr Vater von einem Knecht hält, der zu ihr spricht wie zu seinesgleichen. Guntram und Gerswind leben in einer anderen Welt als wir, Albin. Und besonders dir könnte die Macht des Grafen gefährlich werden, gerade jetzt.«
    Hastig, als hätte er zu viel gesagt, griff Graman nach dem schmucklosen Zinnbecher und trank von der Milch.
    »Du meinst, weil ich anders bin als alle hier in der Abtei? Weil ich ein ... ein Nebelkind, ein Elb bin?«
    Graman umklammerte den Becher mit beiden Händen wie ein Ertrinkender den rettenden Ast, dessen Festigkeit allein über Leben oder Tod entschied. Nicht nur die flackernde Kerzenflamme war für die zuckenden Schatten verantwortlich, die Albin über das Gesicht seines Gegenübers ziehen sah.
    Albin überlegte, ob er Graman reinen Wein einschenken sollte, was seine Begegnung mit Findig betraf. Aber der Mönch selbst hatte ihn eben erst vor zu großer Offenherzigkeit gewarnt. Gewiss, Graman hatte sich stets um ihn gekümmert, fast wie um einen Sohn, falls ein Benediktiner das nachempfinden konnte. Gleichwohl wäre Graman verpflichtet gewesen, Abt Manegold über Albins Tat zu berichten.
    Deshalb erwähnte er Findig nicht und sagte: »Früher hast du dich um mich gekümmert, wenn ich krank war, Nonus, hast mich gepflegt und auch gewaschen. Du musst wissen, wie meine Füße aussehen. Lange Zeit glaubte ich, diese Füße wären der Grund für meine Aussetzung gewesen, weil meine menschlichen Eltern mich für eine Missgeburt hielten. Aber waren meine Eltern wirklich Menschen? Sagt man nicht, die Füße der Nebelkinder gleichen denen der Vögel?«
    »Ich weiß nicht, wer deine Eltern sind«, sagte Graman leise.
    »Aber du weißt, ob sie Menschen waren. Oder?«
    »Vermutlich waren sie es nicht. Die Moosliese sagte mir, sie habe dich wes tl ich der Drachenwand gefunden, dort, wo das Reich der Nebelkinder beginnt.«
    »Westlich der Drachenwand«, wiederholte Albin und dachte daran, dass Findigs Spur sich vor dem Berg verloren hatte.
    »Ja, als die Moosliese noch lebte, ging sie oft über den Berg. Dorthin, wo die Elben leben.«
    »Wer ist das, die Moosliese?«
    »Eine alte Frau, die noch um vieles mehr von den heilenden Kräften der Moose und Kräuter verstand als ich. Was nicht wundernimmt, wo sie ihr geheimes Wissen doch von den Nebelkindern hatte. Hin und wieder traf ich mich mit ihr, um im Austausch gegen Most, Käse und Wurst unbekannte Kräuter und Rezepte zu erhalten.«
    »Und diese Moosliese traf sich auch mit den Nebelkindern?«
    »Ja, Albin. Die Elben sind sehr erfindungsreich, aber so einiges benötigen sie doch aus der Menschenwelt oder sie begehren es zumindest. Die Moosliese ließ ihnen diese Dinge zukommen, im Tausch gegen

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