Die Nebelkinder
Fein, Bardo, und auch du, Egolf. Ihr werdet mich nicht enttäuschen, das weiß ich.«
Nachdem er die Hunde gestreichelt und liebkost hatte wie sein eigen Fleisch und Blut, zog er einen Dolch mit leicht gekrümmter Klinge aus dem Gürtel. Es war Findigs Waffe, die Wenrich jetzt von den Hunden beschnuppern ließ.
»Findet den Giftzwerg, dem diese Klinge gehört, meine beiden Lieblinge. Findet ihn und ihr werdet das saftigste, blutigste Stück Fleisch bekommen, das ihr jemals zwischen euren Zähnen hattet. Los!«
Er gab Volko ein Zeichen, und der löste die Leinen von den breiten Lederhalsbändern. Die Nasen dicht am Boden liefen der hellköpfige Bardo und der schwarzköpfige Egolf durchs Gebüsch. Eine unsichtbare Hand schien sie zum Erdloch zu leiten.
»Ja, dort ist der Zwerg herausgekommen«, rief Wenrich, der ihnen gefolgt war. »Aber wohin ist er gelaufen?«
Als hätten die Hunde ihn verstanden, wandten sie sich von der Höhle ab und liefen unter lautem Gebell in südlicher Richtung über den Hügel.
Ein zufriedenes Lächeln zog sich von einem Ohr des Vogts zum anderen. »Das wärs, sie haben die Witterung aufgenommen. Jetzt werden sie uns zu dem flüchtigen Zwerg führen. Bardo und Egolf sind die besten Hunde im ganzen Land. Ich selbst habe sie aufgezogen und abgerichtet. Also vorwärts!«
Er schwang sich aufs Pferd und galoppierte den Hunden nach, gefolgt von den übrigen Reitern.
Guntram hielt sein Tier neben Albin an und streckte eine Hand zu ihm herunter. »Steig hinter mir auf, Bursche.«
Albin war überrascht. »Herr, du willst mich mitnehmen?«
»Bisher hast du deine Sache recht gut gemacht, scheinst mir ein Spürhund in Menschengestalt zu sein. Vielleicht brauchen wir dich noch. Willst du nicht sehen, ob die Jagd erfolgreich ist?«
»Doch«, antwortete Albin. Er meinte es ehrlich, hoffte allerdings auf einen anderen Ausgang der Hetze als Guntram und Wenrich.
Mit Guntrams Hilfe sprang er auf die Kruppe des Braunschecken. Der Graf trieb das Tier an und Albin wäre fast augenblicklich wieder hinuntergefallen. Er konnte sich gerade noch an Guntrams Leib festhalten. Als der Graf Albins erschrockenen, etwas zu festen Griff spürte, stieß er ein kurzes, trockenes Lachen aus.
Sein Pferd war ungewöhnlich groß und, wie sichjetzt zeigte, auch schnell. Die Hufe, unter denen das Erdreich aufspritzte, trommelten in rascher, gleichmäßiger Reihenfolge auf den Boden und Albin glaubte fast zu fliegen. Nach kurzer Zeit holten sie den etwa zwanzigköpfigen Reitertrupp ein und überholten ihn sogar. Bald nahmen Guntram und Albin neben Wenrich die Spitze ein. Albins zusätzliches Gewicht schien dem Pferd des Grafen nicht das Geringste auszumachen. Ein verächüiches Zucken glitt über Wenrichs Gesicht, als er Albin bemerkte. Der Vogt von Mondsee schien nichts davon zu halten, dass ein hoher Herr einen Knecht zu sich aufs Ross nahm.
Die Hunde, immer ein gutes Stück voraus, folgten der Fährte in südlicher Richtung, weg vom Mondsee. Das Gelände stieg erst sanft, dann steiler an. Die Sonne, die eine Bergkuppe nach der anderen erklomm, warf ihr heller und schärfer werdendes Licht auf die steilen Felswände der Drachenwand, die am westlichen Ufer in den Himmel wuchs. Das riesige Felsmassiv hatte seinen Namen nicht von ungefähr. Es sah aus wie ein Drache, der sich zum Schlafen niedergelegt hatte. Die Reiter hielten von vorn auf die rechte Flanke des Untiers zu. Albin erkannte den klobigen Drachenschädel, den höckerartig erhobenen Rücken und zwei nach hinten ausgestreckte Beine an der Seite des massigen Drachenleibes. Die Bäume, die sich auf dem Gebirgskamm in langer Reihe hinzogen, verstärkten den Eindruck eines Ungeheuers noch. Sie wirkten wie spitze Schuppen auf dem Rücken des schlafenden Drachen.
»Der Drache hat den Zwerg verschluckt und jetzt auch die Hunde!«, rief jemand hinter ihnen. Es war Volko, der an Wenrichs Seite ritt und seinem Herrn einen besorgten Blick zuwarf. »Vielleicht stimmen die alten Geschichten, die man sich erzählt, Vogt, und dieser Berg ist wahrhaftig eine schlafende Bestie, die sich jederzeit zu neuem Leben erheben kann.«
»Abergläubisches Heidengeschwätz!«, fuhr Wenrich seinen Hauptmann an. »Achte lieber auf Bardo und Egolf! Sie sind dort vorn zwischen den Sträuchern verschwunden.«
Die Schwarzbeersträucher raschelten und die Hunde kamen wieder zum Vorschein. Sie kehrten auf dem Weg zurück, den sie eben beschritten hatten, und liefen auf den angehaltenen
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