Die Nebelkinder
auf, wankte nur kurz und stand dann aufrecht da - eingekreist von zwölf oder fünfzehn merkwürdigen Gestalten.
Einige waren Menschen, andere unzweifelhaft Elben. Doch befanden sich unter den Fremden auch welche, die Albin weder dem einen noch dem anderen Volk zuordnen konnte. Ihre Größe lag irgendwo dazwischen.
Einer der Mischler, wie Findig sie genannt hatte, war so groß wie ein durchschnittlicher Mensch, aber seine nackten vierzehigen Füße waren die eines Elben. Er hatte bis auf die Schultern fallendes Haar und ein längliches Pferdegesicht. Die ziemlich weit voneinander abstehenden Augen erhöhten den Eindruck eines Pferdes noch. Diese Augen, die unter buschigen schwarzen Brauen saßen, huschten unablässig hin und her, als wollten sie sich nichts entgehen lassen.
Findig drehte sich zu ihm um und sagte, ein gezwungenes Lächeln aufsetzend: »Ich grüße dich, Waldo. Unsere letzte Begegnung liegt einige Zeit zurück.«
Waldo bleckte die Zähne, die, spitz zugefeilt, weniger an ein Pferd als an ein Raubtier erinnerten. »Deine Freude über unser Treffen scheint sich in Grenzen zu halten, Findig.«
Der Elb wies auf das zerschnittene Netz, das unnütz über ihm baumelte. »Ich mag es halt nicht, wenn ich durch die Luft gewirbelt werde wie ein Blatt im Herbstwind. Da krieg ich immer ein ganz flaues Gefühl im Magen.«
»Und ich krieg ein flaues Gefühl, wenn ich unsere zerschnittenen Netze sehe«, sagte Waldo ohne jede Spur von Humor. »Sie wieder zusammenzuflicken kostet viel Zeit und Mühe. Dafür musst du bezahlen, Findig!«
»Bei dir und deinesgleichen muss man immer bezahlen, egal was man tut oder lässt.« Warnend hob Findig die Hand mit dem Dolch. »Ich denke, da ihr uns mit euren Fallen ordentlich durchgerüttelt habt, sind wir für diesmal quitt.«
»Du denkst zu viel, Findig, manchmal ist es besser, zu handeln.«
Waldo hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da stürzte sich die Hälfte seiner Schar schon auf den Elb. Alle waren bewaffnet und sie hatten ihr Opfer rasch überwältigt. Findig lag auf dem Rücken und war seines Dolches beraubt. Ein einäugiger Koloss hockte auf ihm und hielt ihn allein durch sein Gewicht am
Boden. Neben Findigs Kopf stand ein kleinwüchsiges Wesen, ein Elb, und drückte einen Speer mit gezackter Klinge gegen den Hals des Wehrlosen.
Hatte Findig ihnen wirklich nicht entkommen können? Albin glaubte vielmehr, sein Begleiter hatte keinen Fluchtversuch unternommen, um ihn nicht allein bei diesen eigentümlichen Gestalten zurückzulassen.
Waldo sah verächtlich auf den Überwältigten hinab. »Das wars für dich, Findig. Ivos Gewicht allein reicht aus, um dich wie eine lästige Mücke zu zerquetschen. Jetzt wirst du jeden Preis zahlen, den ich fordere, und wenn es dein Leben ist.«
Der Pferdegesichtige gab seinen Leuten einen Wink. Ein barfüßiger Elb kletterte flink auf die Eiche, an der Albin hing, und ließ das Netz hinunter. Albin wurde nur daraus befreit, um sofort mit Stricken gebunden zu werden. Genauso erging es Findig. An Holzstangen befestigt, die ein paar Mischler auf Waldos Befehl hin schulterten, wurden die beiden Gefährten wie erlegtes Wild durch den Wald getra- gen.
Als er sich von der Überraschung erholt hatte, dachte Albin darüber nach, weshalb diese Mischler sich in der Sprache der Menschen unterhielten.
In Findigs Gedanken las er die Antwort: Fast alle Nebelkinder sind in dieser Sprache geübt, weil es in einer von Großwüchsigen beherrschten Welt nützlich, zuweilen sogar überlebenswichtig ist. Erst recht gilt das für die Mischler, die zum Teil selbst Menschen oder menschlicher Abstammung sind und die mit den Großwüchsigen umfangreichen Handel treiben.
Nach einem halbstündigen Marsch lichtete sich der Wald und gab den Eingang zu einem versteckten Talkessel frei. Der enge Weg führte zwischen hohen, zerklüfteten Felsen hindurch, auf denen sich weitere bewaffnete Mischler zeigten. Waldo gab ihnen Handzeichen, die sie erwiderten. Albins Vermutung, dass die Bewaffneten die Wächter des Mischlerlagers waren, bestätigte sich bald. Die Schlucht erweiterte sich und bot Platz für etliche aus Lehm, Geäst und Gras erbaute Hütten, die oben abgerundet waren. Ein paar Ziegen, Schafe und Kühe liefen zwischen den Hütten oder in kleinen Gattern umher. Kessel hingen über großen Feuern. Frauen jedweder Größe und Gestalt bereiteten angesichts der nahen Dämmerung das Abendmahl. Kinder umlungerten ihre Mütter oder tollten umher. Ob Mann, Frau
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