Die Nebelkinder
ließ ein raues Lachen hören. »Da bin ich aber gespannt!«
In kurz gefasster Form berichtete Findig von den Ereignissen in der Abtei und überbrachte Durins Angebot, jeglichen Vorbehalt gegen Waldo und seine Mischler fallen zu lassen, falls sie halfen, Gerswind zu retten.
»Ah, dein König will wieder mit uns Handel treiben«, kicherte Waldo. »Wenn wir ihm so sehr fehlen, wird er sich über kurz oder lang ohnehin wieder mit uns zusammentun. Weshalb sollten wir uns mit den Schwarzelben überwerfen?«
»Deshalb«, sagte Findig und zog unter seinem Wams einen kleinen Lederbeutel hervor, den er Waldo zuwarf. »Mach ihn auf!«
Der Mischler griff nach dem Beutel und entknotete die dünne Schnur. Erstaunt betrachtete er den Inhalt des Säckchens. Edelsteine in den unterschiedlichsten Farben, Formen und Größen funkelten im Feuerschein.
»Ein kleiner Dank, den König Durin dir für deine Hilfe schickt«, sagte Findig. »Du bekommst noch so einen Beutel, wenn alles erledigt ist.«
Waldo stieß ein unzufriedenes Knurren aus, das zu der Gier, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, in krassem Widerspruch stand. »Zwei Beutel voller bunter Steine sind ganz hübsch, aber nichts im Vergleich zu der Gefahr, der wir uns beim Eindringen in König Amons Reich aussetzen.«
Findig trat einen Schritt auf ihn zu und streckte fordernd die linke Hand aus. »Dann gib den Beutel wieder her! Du hast Recht, Waldo, es ist keine Aufgabe für Hasenfüße. Ich suche mir lieber Helfer, die einer Gefahr mutig entgegentreten.«
»Nicht so hastig, man wird doch noch überlegen dürfen«, erwiderte Waldo und drückte den Lederbeutel an seine Brust. »Also gut, wir helfen dir, damit König Durin sieht, wie wohlgesonnen wir den Braunelben sind. Wann sollen wir aufbrechen?«
Findig gab Albin ein Zeichen, den Dolch von Waldos Kehle zu nehmen, und antwortete: »Mit den ersten Sonnenstrahlen.«
Am dritten Tag ihres Weges gelangten sie ins Land der Schwarzelben, das noch tiefer versteckt in den Bergen lag als König Durins Reich. Es war ein langer Marsch gewesen, durch finstere Höhlengänge und zerklüftete Bergpässe. Waldo selbst führte den fünfzehnköpfigen Mischlertrupp an. Mehr Leute hätten zwar eine größere Schlagkraft bedeutet, wären aber auch eher aufgefallen. Unter den Mischlern befand sich der stämmige Ivo, der Albin und Findig fortwährend mit finsteren Blicken aus seinem einzigen Auge bedachte. Offenbar hatte er seine Niederlage im Zweikampf gegen Findig nicht vergessen.
Seit gestern hatte Albin geglaubt, eine dichte Decke dunkler Wolken läge schwer über dem Schwarzelbenreich. An diesem Nachmittag, als sie aus einem höhlenartigen Gang auf ein kleines Felsplateau traten, erkannte er seinen Irrtum. Jetzt sah er den wahren Grund für den düsteren Anblick, den der Himmel zwischen den hoch aufragenden Berggipfeln bot: Aus zahlreichen felsartigen Kegeln stiegen dunkle Rauchfahnen auf, die sich in der Luft zu jenem wolkenartigen Gespinst verbanden. Der ständige Rauchausstoß verhinderte, dass dieses Gewölk sich auflöste. »Wolken, die aus der Erde kommen!«, staunte Albin. »Diese Berge stecken voller Wunder.«
»Eher voller Schwarzelben«, krähte Findig, von Albins Unwissenheit erheitert. »Unter der Erde bauen sie das Erz ab, das sie in den Ofen schmelzen.«
Albin erkannte, dass die rauchenden Kegel keine natürlichen Felsen waren, sondern lehmverstrichene Anbauten an den Bergwänden. In dem dämmrigen, von keinem Sonnenstrahl erhellten Tal zu ihren Füßen eilten unzählige winzige Gestalten, Schwarzelben wohl, hin und her, um den nimmersatten Schmelzöfen neue Nahrung zu bringen. Löcher, die in den Bergwänden klafften, waren mehr als bloße Höhlen. Dort lagen die Einstiege ins unterirdische Schwarzelbenreich und in die Bergwerke. Voll beladene klobige, vierrädrige Karren wurden unter Mühen aus den Stollen gezogen und zu den Ofen gezerrt, um sie leer wieder zurückzuschieben.
Albin, Findig und die Mischler begannen den schwierigen Abstieg ins Tal, der über einen engen, oft unter ihren Füßen wegbröckelnden Bergpfad führte. Der Findling atmete erleichtert auf, als sie endlich heil unten ankamen. Von hier wirkte der Anblick des rauchgeschwängerten Himmels noch eindrucksvoller - und bedrückender. Die Luft war schwer und stickig. Albin und auch einige Mischler verspürten ein Kratzen in der Kehle, das sie zum Husten reizte.
Findig schien sich, wie überall, auch im Tal der Schwarzelben bestens auszukennen.
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