Die Nebelkinder
Zielstrebig führte er seine Begleiter zwischen schroffen Felsen und dann zwischen Bäumen hindurch, die sich bald zu einem Wald verdichteten. Eine unnatürliche Hitze schlug ihnen entgegen, als brenne vor ihnen der Wald, doch war von einem Feuer nichts zu sehen. Bald wichen die Bäume zurück und eine Lichtung enthüllte des Rätsels Lösung: Die Hitze stammte aus drei Meilern, die rund um eine windschiefe Köhlerhütte standen. Hier entstand die Kohle für die Schmelzöfen. Bei der Vielzahl der Ofen musste es noch mehr Köhler im Tal der Schwarzelben geben.
Der hiesige Köhler stand weit nach vorn gebeugt auf einer Leiter an einem der Meiler und schien damit beschäftigt, den Windzug zu regeln. Eine schwierige Aufgabe, wie Albin von den Köhlern am Mondsee wusste. Bekam das Feuer im Meiler zu wenig Luft, erlosch es, und all die Mühe, die das Errichten des Meilers aus Pfählen, Holzscheiten und der luftdichten Abdeckung aus Erde, Gras, Moos und Laub gekostet hatte, war vergebens gewesen. Entfachte aber zu viel Luft die Flammen, ging der Meiler durch, wie die Köhler sagten, und aus dem Holz wurde statt der erhofften Kohle ein Haufen wertloser Asche.
»Sieh zu, dass du nicht kopfüber in die Glut fällst, Freund«, rief Findig dem Kohlenbrenner zu. »Ein Hitzkopf führt kein langes Leben.«
Ein Ruck ging durch den Köhler und die Leiter wackelte bedenklich. Nur die nackten Elbenfüße, deren lange Zehen sich fest um die Sprossen klammerten, verhinderten, dass der Schwarzelb das Gleichgewicht verlor. Mit krähender Stimme stieß er eine schnelle Folge undeutlicher Laute aus und kletterte nach unten, wo er sich mit in den Hüften gestemmten Händen zu den Ankömmlingen umdrehte.
»Was fällt euch ein, mich so zu erschrecken?«, schimpfte er lauthals. »Euretwegen wäre ich fast wirklich in die Glut gefallen! So was ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert, jedenfalls nicht sehr oft.«
Eine breite Brandwunde, die sich über die ganze rechte Wange des Schwarzelben zog, belegte, dass die Einschränkung erforderlich war, wollte er bei der Wahrheit bleiben. Albin hatte die Narbe erst bei näherem Hinsehen bemerkt, weil eine schwarze Rußschicht Haut und Kittel des Köhlers bedeckten.
Findig setzte eine entschuldigende Miene auf. »Wir bitten um Verzeihung, Freund. Es lag nicht in unserer Absicht, dich zu erschrecken. Vielleicht hilft ein Gastgeschenk, deinen Zorn zu besänftigen.«
»Ein Geschenk?« Das Antlitz des Köhlers hellte sich auf, sofern man das von seinen geschwärzten Zügen sagen konnte. »Was ist es?«
Findig gab den Mischlern, von denen viele Säcke auf den Rücken gebunden hatten, einen Wink. Einer trat vor, stellte seinen Sack vor dem Köhler auf den Boden und öffnete ihn. Der Schwarzelb blickte auf verzierte Zinngefäße aller Größen und Formen und wühlte unschlüssig darin herum, bis er einen Becher auswählte, dessen langer Stiel auf einem breiten Sockel ruhte.
»Und den darf ich wirklich behalten?«
Findig nickte. »Wir haben noch genügend andere Tauschwaren dabei.«
Der Köhler drückte den Becher an seine Brust. »Ali, jetzt erkenne ich euch. Ihr seid Mischler, nicht? Lange habe ich keinen von euch mehr gesehen. Seid willkommen im Haus des Köhlers Joder. Hier sollt ihr Unterschlupf und ein nahrhaftes Essen finden - falls ihr das bezahlen könnt.«
Mit einem offenherzigen Lächeln entgegnete Findig: »Wie ich schon sagte, wir haben viele Tauschwaren dabei. Wenn du uns für die Nacht beherbergst, soll es zu deinem Vorteil sein, Freund Joder.«
Wenig später saßen Albin und seine Gefährten auf verfilzten Fellen in der Köhlerhütte und bedienten sich aus den Schüsseln und Krügen, die der Schwarzelb in ihre Mitte gestellt hatte.
»Schmeckts?«, fragte Joder, als er sich zu ihnen setzte.
»Ja«, log Findig tapfer und alle anderen nickten.
Was der Köhler ihnen vorsetzte, wäre sogar dann eine Zumutung gewesen, hätte er keine Bezahlung verlangt. Das Brot war alt wie die Welt, knochentrocken und hart wie Felsgestein. Nur wenn man es in das abgestandene Wasser tauchte, das es statt Most oder Milch gab, konnte man es so weit erweichen, dass es sich essen ließ. Halb verfaulte Früchte und ein schimmeliges Stück Käse vervollständigten das wenig verlockende Mahl.
Unbeirrt leckte Findig über seine Lippen und sagte fröhlich: »Du verstehst es unnachahmlich, deine Gäste zu bewirten, Joder. Man merkt sofort, dass du reichlich Übung darin besitzt. Es kommen wohl oft Fremde an
Weitere Kostenlose Bücher