Die Nebelkinder
Findig und bat Durin anschließend, einen Trupp zu Gerswinds Befreiung aufzustellen.
Der König sah ihn verwirrt an. »Wozu? Dadurch riskieren wir einen Krieg mit den Menschen. Was haben wir davon, wenn wir diese Gerswind befreien? Wir sollten uns nicht in die Streitigkeiten der Großwüchsigen verwickeln lassen.«
»Aber wir sind längst darin verwickelt«, wandte Findig ein. »Mit dem Mord an Graf Chlodomer hat es begonnen. Es gibt viele Hinweise, dass etwas im Gange ist, ein Komplott, das auch uns Elben betrifft. Warum sonst sollten die Rotelben Graf Guntram und den Mönch Graman ermordet haben? Nur sie kommen in Frage, falls die Mörder tatsächlich Nebelkinder waren.«
»Das weiß ich nicht und ich will es auch nicht wissen«, entgegnete Durin mit harter, abweisender Stimme. »Wenn Amon den Rotelben Unterschlupf gewährt, soll er sich um sie kümmern. Diese Aufwiegler haben noch nie etwas Gutes bewirkt. Uns Braunelben geht ihr Treiben nichts an, und je weniger wir uns mit ihnen einlassen, desto besser für uns.«
Enttäuscht blickte Albin die beiden anderen an und sagte leise: »Ohne Hilfe wird es uns nicht gelingen, Gerswind zu retten.«
»Es wird euch nicht gelingen, weil ihr es nicht versuchen werdet«, sprach Durin. »Ich verbiete euch, noch einmal die Abtei aufzusuchen. Die Rotelben und die
Mischler haben schon für genug Unruhe unter den Menschen gesorgt. Wir müssen alles vermeiden, was ihren Zorn gegen uns Braunelben richtet.« Als Albin protestieren wollte, schnitt der König ihm das Wort mit einer herrischen Geste ab und fuhr fort: »Keine Widerrede, das ist meine unwiderrufliche Entscheidung in dieser Angelegenheit. Und wagt es nicht, gegen meinen Befehl zu verstoßen!«
Der süßliche Most legte sich wie ein dicker, schwerer Vorhang über alles, betäubte die Sinne und linderte den Schmerz der großen Enttäuschung. Nach der Unterredung mit Durin zurück im Thronsaal, hatte Albin nach einem Becher gegriffen, dann nach dem nächsten und nach noch einem. Nicht aus Durst, sondern aus Wut, Verbitterung und Verzweiflung. Er wollte nicht daran denken müssen, was mit Gerswind geschah, wenn er ihr keine Hilfe brachte.
Irgendwann verlor er Findig aus den Augen, als Albin sich von einer Gruppe schwungvoll tanzender Nebelkinder mitreißen ließ. Das Fest war in vollem Gange und wurde immer ausgelassener, je mehr alle den berauschenden Getränken zusprachen. Die Musikanten hatten jedwede Zurückhaltung abgelegt. Von den Bäumen erscholl eine laute, schnelle, mitreißende Melodie, in deren Rhythmus die Tänzer umherwirbelten.
Und Albin war mittendrin. Sein Kopf war schwer von zu viel Most und die Schwere dehnte sich auf seinen ganzen Leib aus. Nur mit Mühe konnte er seine bleiernen Beine dazu zwingen, den schnellen Tanzschritten der anderen zu folgen. Er geriet ins Stolpern und stürzte, sah über sich grinsende Elbengesichter und hörte spöttisches Gelächter. Die Spötter wandten sich wieder ihrem Tanzvergnügen zu, und Albin versuchte, sich zu erheben.
Eine schmale Hand ergriff die seine und half ihm beim Aufstehen. Er blickte in das Gesicht einer jungen Braunelbin, deren einfaches Gewand, von heller Färbung wie ihr schulterlanges Haar, sie als Dienerin auswies. Ihre großen, tief liegenden Augen sahen ihn mi tl eidig an. Der Anblick der Elbin rief eine unbestimmte Erinnerung in ihm wach, zu flüchtig, um sie festzuhalten.
»Du solltest dich ein wenig ausruhen«, sagte sie. »Komm, ich bringe dich an einen Ort, wo es ruhiger zugeht.«
Sie hielt noch immer seine Hand und zog ihn mit sich. Folgsam, halb betäubt von Most und Tanz, begleitete er sie.
Sie verließen den Saal und gingen über mehrere Höfe, auf denen die Dienerschaft ihren Teil der Feier genoss, nicht weniger beschwingt als die Nebelkinder im Thronsaal. Die Elbin führte ihn in eine von allem Trubel abgeschiedene Höhle, in deren Mitte ein kleiner Teich lag.
Konnte man es eine Höhle nennen? Das fragte sich Albin, als er die Wände betrachtete, die nicht aus Felsgestein, sondern aus Baumstämmen bestanden. Der Gedanke verflog rasch aus seinem schweren Kopf, dem es nicht gelingen wollte, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren.
Albin ließ sich am Ufer des Teiches nieder und genoss es, als die Elbin eine Hand ins Wasser tauchte und seine Stirn benetzte. Zärtlich strich die Hand über sein Gesicht, und er schloss die Augen. So musste es sein, wenn eine Mutter ihr Kind liebkoste. Er fühlte sich müde und geborgen. An die
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