Die Nebelkinder
an.
Zuerst trat der Schwarzelbenkönig mit einer Schar von ungefähr dreißig Gefolgsleuten vor Durin. Amon schien jünger als Durin zu sein oder wurden seine Falten von der dunklen Schwarzelbenhaut verborgen? Als er langsamen Schrittes die Treppe zum Thron hinaufstieg, wirkte er in seinem schwarzen Gewand mit der rubinbesetzten Kappe wie ein riesenhafter Schwarzspecht. Durin erhob sich und umarmte ihn. Die Worte, die sie miteinander wechselten, waren unten nicht zu verstehen. Amons Höflinge übergaben Durins Dienern mehrere Kisten mit gewiss wertvollen Geschenken.
Als Königin Amura sich mit den Ihren näherte, stach der Unterschied zu den Schwarzelben sofort ins Auge. Hatten Amon und seine Gefolgsleute einen düsteren, schweren Eindruck gemacht, so ging von den Lichtelben etwas Helles, Leichtes aus. Ihre Kleider erinnerten an Blätterwerk, nicht golden wie Durins Mantel, sondern in natürlichem Grün. Bei jeder Bewegung g ing ein Flimmern von den Gewän den aus, wie heiße Luft, die in der Sonne flirrt. Das rührte von den glitzernden Bändern her, mit denen die Kleider durchwirkt waren. Haut und Haar der Lichtelben waren hell, heller noch als bei den Braunelben, und doch wirkte die Haut nicht blass wie bei jenen Menschen - Geistlichen oder edlen Frauen -, die sich vornehmlich in geschlossenen Räumen aufhielten.
Zu Findig gewandt sagte Albin: »Ich weiß wenig über die Lichtelben. Du hast mir nur erzählt, dass sie sich nach König Alwis' Tod, nach dem gerade noch vermiedenen Krieg zwischen den Elbenstämmen, von den anderen Nebelkindern abgeschottet haben.«
»Der Stamm der Lichtelben ist der zahlenmäßig kleinste unter den drei Stämmen«, erwiderte Findig. »Auch das mag ein Grund für ihre Zurückhaltung sein. In einem Krieg werden die Schwachen allzu leicht zwischen den Starken zerrieben. Königin Amura beschränkt die Beziehungen zu den Braun- und Schwarzelben auf das unbedingt Notwendige. Von wenigen Anlässen wie diesem Fest abgesehen, leben die Lichtelben für sich, unerreichbar wie die Vögel am Himmel.«
»Am Himmel?«
»Sie haben ihre Siedlung, wie die Vögel ihre Nester, in den Kronen hoher Bäume gebaut. Und sie verstehen es hervorragend, sich in den Bäumen fortzubewegen. Nur selten betreten sie festen Boden.«
Amura bestieg die Treppe zur Königseiche. Ihr Kleid unterschied sich kaum von dem ihrer Höflinge. Doch als Einzige trug sie einen Kopfschmuck, einen Kranz aus Blättern in den Herbstfarben. Sie war sehr schlank und wirkte zerbrechlich, aber ihr Auftreten war das einer stolzen und starken Herrscherin. Auch diesmal umarmte Durin die Gratulantin und seine Diener nahmen die Geschenke entgegen.
Nachdem die Lichtelben von der Königseiche gestiegen waren, legte Durin seinen Goldblattmantel ab und mischte sich unter die Gästeschar. Vergeblich versuchten Albin und Findig, zu ihm vorzudringen. Der König war von einer dicken Elbentraube umlagert, alles buhlte um seine Gunst.
Diener, die Speisen und Getränke anboten, strömten in den Thronsaal. Findig vertrieb sich die Zeit mit ein paar Bechern Most und Albin, der in letzter Zeit wenig gegessen hatte, spürte seinen leeren Magen. Er nahm ein Stück geröstetes Brot und eine gebratene Entenkeule vom Tablett eines älteren Dieners. Als der Diener ihn ansah, schien der alte Braunelb zu erschrecken, als schaue er in das Antlitz eines Dämons. Ihre Blicke trafen sich nur kurz. Bevor Albin ihn danach fragen konnte, was ihn so verstörte, tauchte der Diener eilig in die Menge ein. Albin wollte sich bei Findig erkundigen, was den Alten so beunruhigt haben mochte, aber da stand plötzlich Jergo vor ihnen.
»König Durin wünscht euch zu sprechen, folgt mir!«, verkündete der Höfling im Befehlston und drehte sich um.
Zwei Wachen, die Jergo begleitet hatten, bahnten ihm, Findig und Albin einen Weg durch den Trubel. Sie gingen zu einer Vertiefung in einer der Baumwände. Beim Näherkommen erspähte Albin einen schmalen Durchgang, vor dem die beiden Soldaten Aufstellung nahmen. Jergo, Findig und Albin gingen durch den Spalt und einen kurzen Gang in einen kleinen Raum, wo Durin auf reich bestickten Kissen hockte. Er lud Findig und Albin ein, sich zu ihm zu setzen, und sagte zu dem Höfling, er könne sich entfernen. Jergo gehorchte nur widerwillig und warf den beiden abgerissenen Elben beim Weggehen skeptische Blicke zu.
»Jetzt haben wir Zeit zum Reden«, sagte der Herrscher. »Erzählt mir in allen Einzelheiten, was ihr erlebt habt!«
Das tat
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