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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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zurück. Mit Kräutern angereicherte Öle in den Lampen tränkten die Luft mit einem schweren, berauschenden Duft. Die Blätter der Bäume waren mit Gold- und Silberfarbe bemalt und hoch oben in den Kronen saßen Musikanten, deren Flöten, Schellen, Rasseln und Trommeln den Raum mit einem getragenen Rhythmus erfüllten.
    Noch langsamer als der Takt der Musikanten bewegte sich die Schlange der Nebelkinder vorwärts. Ihr Ziel war der Thron, an dem Würdenträger aller drei Elbenstämme Durin ihre Huldigung zum fünfzehnten Jahrestag seiner Thronbesteigung darbrachten. Höflinge und Soldaten, Abgesandte der Bauern und Handwerker, alle hatten ihre kostbarsten Gewänder angezogen und warteten darauf, König Durin ihre Gaben zu Füßen zu legen. Es waren so viele Nebelkinder, die gewundene Schlange so lang, dass Albin und Findig den Thron nicht einmal sehen konnten. Irgendwo hinter den mitten im Saal wachsenden Bäumen musste er stehen.
    Die beiden Gefährten waren auf dem Albin bereits bekannten Weg glücklich ins Tal der Braunelben gelangt, doch kamen sie zu einer ungünstigen Zeit. Die Höflinge wollten sie nicht zu Durin vorlassen, weil der Herrscher ganz von den Vorbereitungen für die große Feier in Anspruch genommen war. Sich in die Schlange der Gratulanten einzureihen war zwar ein zeitraubender Weg, aber der einzig mögliche, um heute noch zu Durin zu gelangen.
    Endlich kam der Thron in Sicht und der Anblick steigerte Albins Erstaunen noch. Durin saß inmitten der Krone einer alten Eiche, die so breit war, dass sie aus mehreren zusammengewachsenen Bäumen bestehen musste. Es war die Königseiche, wie ein Höfling hinter Albin den Baum nannte. Eine mehrfach gewundene Treppe aus ineinander verschlungenen Asten führte zum Thron hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Der Herrschersitz selbst schien aus natürlich zusammengewachsenen Asten zu bestehen, die mit vergoldeten Eichenblättern verziert waren. Auch Dürrns weites Gewand war mit solchen Goldblättern besetzt, was aussah, als wachse der Mantel und mit ihm auch sein Träger geradewegs aus der Krone der Königseiche.
    Einer nach dem anderen stiegen die Gratulanten zum Thron empor. Durins Höflinge, die rund um ihren Herrscher standen, nahmen die Geschenke entgegen und verstauten sie irgendwo hinter dem golden glitzernden Sessel. Vor Albin und Findig stand eine Abordnung der Braunelbenschmiede, deren Gabe ein wertvolles Schwert war, am Griffstück vom Knauf bis zur Parierstange mit Türkisen besetzt. Mit erstaunten bis unmutigen Blicken nahmen Durins Höflinge zur Kenntnis, dass Albin und Findig kein Geschenk bei sich trugen. Mehr noch, in ihrer von den vielen Abenteuern und dem langen Marsch verschmutzten und zerrissenen Kleidung fielen sie inmitten all der edel gewande- ten Nebelkinder auf wie zwei schmucklose Raben in einer Schar bunt gefiederter Eisvögel. Besonders jetzt, wo sie für alle sichtbar auf der Königseiche standen. Schon begannen die anderen Gratulanten über die beiden seltsamen Gestalten zu tuscheln.
    Einer von Durins Höflingen, in ein langes blaues Gewand gehüllt, beugte sich vor und zischte: »Was sucht ihr hier? Habt ihr nicht mal ein Geschenk?«
    Findig beachtete ihn gar nicht. Dem Herrscher zugewandt, verneigte er sich und sagte: »Wir entbieten unsere Glückwünsche dem König der Braunelben. Unsere Gabe kann man nicht mit Händen tragen, aber sie ist wertvoller als das funkelnde Schwert.«
    Ein Lächeln verschob die zahllosen Falten in Durins Gesicht. »Mach es nicht so spannend, Findig. Was hast du mir mitzuteilen?«
    »Einiges und es sind nicht die besten Nachrichten. Wir kommen geradewegs vom Mondsee zu dir.«
    »Und? Habt ihr die Tochter des Grafen zurückgebracht?«
    »Ja, mein König. Aber leider sieht es so aus, als hätte das die Schwierigkeiten nur vermehrt.«
    Der blau gewandete Höfling mischte sich ein. »Verzeih, königlicher Herrscher, aber jetzt ist nicht die Zeit für lange Gespräche. Wir sollten König Amon und Königin Amura nicht warten lassen.«
    »Jergo hat Recht, das Zeremoniell verlangt es«, sagte Durin ein wenig missmutig zu Findig. »Wir sprechen später miteinander, wenn ich das Vogelnest hier oben verlassen habe.«
    Findig und Albin blieb nichts anderes übrig als von der Königseiche zu steigen und sich in die Versammlung der Gratulanten einzureihen, die auf das Ende der Prozession warteten, auf die Herrscher der Schwarz- und der Lichtelben. Ein Anschwellen der Musik kündigte die Hoheiten

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