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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Schulter der Elbin gelehnt, versank er in einen Dämmerzustand, immer tiefer, bis er sich in einem seltsamen Traum wieder fand.
    Der Traum war erschreckend, verstörend. Albin sah einen Raum mit Wänden aus borkigen Baumstämmen. Irgendwoher wusste er, dass es ein Raum in dieser Burg war. Auf Kissen hatten sich Braunelben - Männer, Frauen und Kinder-niedergelassen. In ihrer Mitte trugen Diener Getränke und Speisen auf, und zu heiterer Flötenmusik speisten die offensichtlich hochgeborenen Elben. Die gelöste Atmosphäre legte nahe, dass sie sich gut kannten; sie wirkten wie eine große Familie. Plötzlich traten Soldaten in ledernen Wämsern und Hosen mit schnellem Schritt ein, angeführt von einem Hauptmann, dessen große Augen klar und entschlossen blickten. Einer der zum Mahl versammelten Braunelben winkte ihn heran und fragte ihn etwas. Statt zu antworten riss der Hauptmann sein Schwert aus der Scheide und stieß es seinem Gegenüber mitten ins Herz. Auch die anderen Soldaten griffen zu ihren Waffen und fielen über die Elben her. Alle wurden gnadenlos niedergemetzelt, selbst die Kleinsten unter den Kindern. Anschließend fielen die Diener, die das Massaker starr vor Entsetzen mit ansahen, den blutbesudelten Klingen zum Opfer. Nur einem Diener gelang es, sich in eine dunkle Ecke zu verkriechen und sich heimlich davonzustehlen, ein kleines Bündel sorgsam an seine Brust gedrückt.
    Albin hatte Mühe, sich wieder in der Wirklichkeit einzufinden. Der Traum war so lebensnah gewesen, als habe er das Gemetzel selbst miterlebt. In seinen Ohren hallten noch die Schreie der Sterbenden, er sah vor sich die blutverschmierten Leiber, glaubte, den Geruch des Todes, süßlich und herb zugleich, einzuatmen. Verwirrt blickte er in das Gesicht der Braunelbin und murmelte: »Entschuldige, ich bin eingeschlafen . Ich habe ziemlich wirres Zeug geträumt.«
    »Nicht der Schlaf sandte dir den Traum, ich war es«, erwiderte die Dienerin.
    »Du?« Seine Verwirrung wuchs. » Aber... warum?«
    »Damit du die Wahrheit erkennst und siehst, wie Durin vor mehr als fünfzehn Jahren die Macht im Braunelbenreich an sich gerissen hat.«
    Durin! Er war der Hauptmann aus seinem Traum, derjenige , der das Blutbad begonnen hatte. Mit dieser Erkenntnis fügte sich alles zusammen. Albin dachte an das, was Findig ihm über den Tod des Braunelbenkönigs Alwis erzählt hatte. Jetzt wusste Albin, wie es sich wirklich zugetragen hatte. Er hatte es gerade eben geträumt - miterlebt, nacherlebt, was auch immer. Nicht die Schwarzelben hatten Alwis und seine Angehörigen getötet, sondern der Hauptmann seiner eigenen Königsgarde. Durin hatte mit seinem Schwert den Thron erobert und den Verdacht gegen König Amon geschürt, um von seiner eigenen Schuld abzulenken.
    »Das alles mag so geschehen sein«, murmelte er, noch halb in Gedanken. »Aber weshalb hast du es mir gezeigt?«
    »Um dich auf deine Aufgabe vorzubereiten.« Die Elbin lächelte, als wüsste sie, wie schwer das alles für ihn zu begreifen war. »Du musst wissen, was Durin angerichtet hat, damit du dich mit ganzer Kraft gegen ihn stellen kannst.«
    Er lag noch immer mit dem Kopf an ihrer Schulter, die angenehm warm war. Widerwillig löste er sich von dem Mädchen und lehnte den Rücken gegen eine dicke Baumwurzel, die sich neben dem Teich aus dem
    Erdboden krümmte. In seinem Kopf war ein schmerzhaftes Brummen, und er verfluchte den vergorenen Most.
    »Sprich nicht in Rätseln zu mir«, bat er das Mädchen. »Warum soll ich mich gegen Durin stellen?«
    »Um seine Nachfolge, dein rechtmäßiges Erbe, anzutreten, Prinz Albin. Du bist der Letzte aus König Alwis' Geschlecht, sein jüngster Sohn, der Einzige, der dem Anschlag entronnen ist.«
    Vor sich sah er das Bild des Dieners, der sich verstohlen in einer dämmrigen Ecke verkroch. Das Bündel in seinen Händen war ein kleines Kind - Albin?
    Hinter ihm sagte eine wohl bekannte Stimme: »Du kannst es glauben, Albin, es ist die Wahrheit.«
    Albin wandte den Kopf um und sah zwei Braunelben, die aus dem Gang traten, den auch Albin und das Mädchen genommen hatten.
    Der eine, der eben zu ihm gesprochen hatte, war Findig. Der andere war jener alte Diener, der Albin vorhin im Thronsaal so merkwürdig angesehen hatte. Jetzt wirkte er nicht länger erschrocken. Sein Blick hing in einer Mischung aus Verwunderung und Freude an Albin.
    Der erkannte die eingefallenen Züge wieder, auch wenn sie in seinem Traum straffer gewesen waren, und sagte stockend: »Du

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