Die netten Nachbarn
Nein sagen. Nachforschungen in unserer näheren Umgebung ergaben nicht weniger als acht Goldstein-Mahmud-Spuren.
Die beiden fleißigen Handwerker nahmen ganz einfach jeden Auftrag an, erschienen überall pünktlich, stellten ihre Leiter hin, schabten hier ein wenig Verputz ab, klatschten dort ein wenig Verputz an und machten sich auf die Suche nach neuen Jagdgründen. Eine Familie im nächsten Häuserblock hatte drei Monate in einer Wüstenei von Farbtöpfen und Mörtel gelebt, ehe Goldstein eines Abends plötzlich auftauchte, mit dem Ausruf »Trocken!« die Wände betastete, einen anderen Arbeitskittel anzog und für weitere sechs Monate verschwand.
Er hat viele Kunden, Schlomo Goldstein. Eine Adresse lässt er niemals zurück. Er gehört zu jenem Typus, der immer sagt: »Nein, Sie brauchen mich nicht anzurufen, ich rufe Sie an.« Mahmud sagt gar nichts und glotzt stumm vor sich hin, während er die Farbe rührt und Zigarettenstummel raucht.
Die beiden beherrschen ihr Handwerk, daran besteht kein Zweifel. Niemand ist so gut wie Goldstein, vorausgesetzt, dass er kommt. Seine Spezialität sind Türen und Schwellen.
Leider pflegt er die Türen zum Trocknen immer über zwei Stühle zu legen, aber man kann ja schließlich auf ihnen sitzen, sobald sie getrocknet sind. Zahlreiche Goldstein-Kunden speisen seit Monaten auf horizontalen Türen.
Vor ein paar Tagen besuchten wir die Spiegels. Sie hatten für die Ecke ihres Salons ein sehr geschmackvolles Leiter- und Eimer-Arrangement gefunden, das ein wenig an Pop-Art erinnerte.
Natürlich sprachen wir über die Welt des Schlomo Goldstein und einigten uns darauf, dass er ein netter, freundlicher Zeitgenosse sei. Ein wenig müde, nicht? Das schon, aber er ist ja auch ständig unterwegs. Wie bewegt er sich eigentlich? Womit? Wann? Niemand hat ihn je unterwegs gesehen. Er ist plötzlich da, komplett mit Leiter und Mahmud.
»Vielleicht lebt er in einem Wohnwagen«, erwog Friedländer. »Das macht ihn so beweglich.«
Ein von Goldstein Aufgesuchter und wieder Verlassener war einmal von der Polizei aufgefordert worden, ihn zu Identifizierungszwecken zu beschreiben, und musste passen. Er konnte sich nur an das Taschentuch vor Goldsteins Mund erinnern und brachte ihn damit vorübergehend in den Verdacht, einen Raubüberfall geplant zu haben. Nichts liegt Goldstein ferner. Er erscheint zwar überfallartig, aber er raubt nicht. Im Gegenteil, er lässt etwas zurück: Leitern, Eimer, Zeitungspapier.
Die Zahl der Goldstein-Opfer beträgt derzeit etwas über hundert. Wir haben uns zu einem Verein mit dem Titel »Die Ritter der Türtafelrunde« zusammengeschlossen. Unser Doyen ist ein angesehener Schriftsteller. Er wartet auf Goldsteins Rückkehr bereits seit achtzehn Monaten, das geht aus dem Datum der zurückgebliebenen Zeitungen hervor.
Zu unseren Diskussionsthemen gehört u. a. die Frage, wovon Goldstein lebt und wo er so viele Leitern hernimmt. Er muss eine Sekretärin haben, sonst hätte er längst den Überblick verloren. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Vorschüssen.
Nachforschungen ergaben, dass Goldstein an einem für ihn typischen Arbeitsmorgen gleichzeitig in sieben Wohnungen erschienen war, eine davon im nördlichen Nazareth. Angeblich wurde auch Mahmud beim Ausheben einer Tür in Galiläa gesichtet, während er am Strand von Tel Aviv Ping-Pong spielte.
Da es mir immer schwerer fiel, mich an ein Leben zwischen Eimern und alten Zeitungen zu gewöhnen, stellte ich in unserer letzten Vorstandssitzung den Antrag, Goldstein durch systematische Suchaktionen ausfindig zu machen.
Unsere Mitglieder sollten miteinander ständig Kontakt halten, zum Teil durch Sprechfunkgeräte, und sobald Goldstein irgendwo aufkreuzte, würden wir ihn mit Suchhunden einkreisen. Friedländer, der über einen kräftigen Bariton verfügt, wurde mit dem Zuruf beauftragt: »Sie sind umzingelt, Goldstein! Widerstand ist zwecklos! Ergeben Sie sich!«
In den anschließenden Verhandlungen wird Goldstein natürlich versuchen, sich durch die Zusagen, morgen ganz bestimmt zu erscheinen, aus der Schlinge zu ziehen. Aber darauf gehen wir nicht ein. Wir schicken ihm einen Wagen mit Chauffeur. Goldstein windet sich. Er bietet uns Mahmud als Geisel an. Nichts da! Njet und abermals njet! Er braucht Terpentin? Wir werden es zu seiner Arbeitsstätte schaffen. Am Abend bekommt er etwas zu essen und zwei Glas Milch, eines für Mahmud. Und übernachten muss er im Badezimmer …
Träumereien. Leere Fantasien.
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