Die Netzhaut
gesagt?«
In einer ihrer ersten Teambesprechungen im Dezember war es auch um einen Ring gegangen, den jemand von Mailin Bjerkes Finger entfernt hatte. Darum wollte sich ein Kollege kümmern, aber danach hatte Roar nichts mehr darüber gehört.
»Wenn Mailin Bjerke einen Ehering getragen hat«, sagte er zu Jennifer, nachdem sie mit ihrer Erklärung fertig war, »dann war doch bestimmt etwas darin eingraviert?«
Diese Frage zu stellen kam ihm so vor, als werfe er seine Angel in einen Teich, in dem es fast keine Fische gab. Er fuhr zusammen, als dennoch einer anbiss:
»Dein Aage«, antwortete Jennifer, »außerdem das Datum der Hochzeit.«
Er hatte Teisenkrysset gerade hinter sich gelassen und konnte jetzt das Ende des Staus sehen, als sein Handy erneut klingelte. Er sah den Namen auf dem Display, drückte die grüne Taste und sprach sofort drauflos:
»Ich stehe gerade im Stau, habe verschlafen und noch nicht gefrühstückt, muss seit achtzehn Minuten an einer wichtigen Besprechung teilnehmen und habe einen Haufen Probleme am Hals. Wenn du also schlechte Nachrichten hast, dann quatsch sie mir lieber auf den Anrufbeantworter.«
»Freut mich auch, dich zu sprechen«, entgegnete Dan-Levi. »Du wollest doch schon immer am Ort des Geschehens sein. Alle, die seit gestern Nachrichten gehört haben, wissen, dass du im Zentrum der Ereignisse stehst.«
Endlich schien der Stau sich aufzulösen.
»Ich habe über die Frage nachgedacht, die du mir im Klimt gestellt hast«, fuhr sein Freund fort.
»Hatte ich dir eine Frage gestellt?«
»Ich meine die Sache, die in der Bibel steht: ›Wenn dir dein rechtes Auge Ärger bereitet‹ und so weiter. Ich habe einige Informationen über Berger zusammengetragen. Baal Zebub, zum Beispiel. Dem Alten Testament zufolge war es der Prophet Elias, der den ›Herrn der Fliegen‹ als Gott ohne Macht entlarvte. Unser Elias, also Berger, fordert in einem Interview dazu auf, sich erneut solchen Abgöttern zuzuwenden. Ich zitiere: ›Ich bin nicht ohne Glauben, doch muss ich einen Gott anbeten, den ich hier zurücklassen kann, nicht einen, dem ich womöglich auf der anderen Seite wieder begegne.‹«
»Also ich weiß nicht, ob uns diese Geschichte irgendwie weiterbringt«, sagte Roar mit einem Stöhnen. Endlich konnte er Gas geben und an dem verunglückten Fahrzeug vorbeifahren, dessen Kühlerhaube mit der Leitplanke kollidiert war.
»Nur Geduld, Roar, du wirst schon sehen. Berger war von dem Gedanken besessen, ein Prophet zu sein. Aber er wollte nicht die Ankunft des Heilands verkünden, sondern die Menschen dazu bringen, jeden Erlösungsgedanken aufzugeben. Ein umgekehrter Prophet sozusagen, verglichen mit dem Elias, nach dem er benannt wurde. Ich hab mir mal ein paar der Songtexte angeguckt, die er als der Frontmann von Baal-zebub geschrieben hat. Interessiert?«
»Spuck’s aus!«
»In ›Revenge‹ geht es um eine biblische Geschichte, in der Elias, also Gottes Prophet, die falschen Propheten des Götzen Baal auf dem Berg Karmel versammelt. Elias fordert sie auf, ihm zu zeigen, dass ihr Gott in der Lage ist, Feuer zu entzünden. Als sie das nicht schaffen, bringt Elias Gott dazu, dieses Wunder zu vollbringen. Daraufhin erkennen die Menschen, wer der wahre Gott und wer nur ein Scharlatan ist. Danach nimmt Elias die Propheten mit an einen Fluss und tötet sie, insgesamt vierhundert Leute, in Gottes Namen. In Bergers Text heißt es, dass Baals Propheten aus der Hölle zurückkehren und Elias die Augen herausreißen.«
Roar stieß ein missmutiges Grunzen aus, doch Dan-Levi war noch lange nicht fertig.
»In einem anderen Song mit dem Titel ›The Hell of The New Age‹ beschreibt er, wie er zur Hölle reist und Milliarden von Verbrechern, Mördern, Kinderschändern und Gotteslästerern freilässt, die eigentlich zu ewiger Verdammnis verurteilt sind, und stattdessen Pfarrer, Anwälte, Lehrer und Psychologen ins Fegefeuer schickt, all diejenigen, wie es im Text heißt, die ›Lügen über die Welt verbreiten, in der wir leben‹. Und das ist nur der Text, wie wir ihn verstehen. Stell dir vor, dass die Texte vielleicht voll von geheimen Botschaften sind, die so schnell gesungen werden, dass nur unser Unterbewusstsein sie aufnehmen kann.«
Roar dachte darüber nach.
»Ziemlich gute Story, Dan-Levi. Fragt sich nur, ob das Alte Testament und ein paar Songtexte aus den 80er-Jahren als Beweismaterial vor Gericht ausreichen.«
Dan-Levi fuhr noch eine Weile fort, sich über biblische
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