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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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schloss.
    »Es hat nichts mit Ylva zu tun, dass Mailin nicht weiterleben konnte«, sagte er tonlos. »Jo und Jakka hatten einen Pakt geschlossen. Lieber sterben, als dass jemand von ihnen erfuhr.«
    Neben dem brennenden Notizbuch sah Liss die Reste eines Buchcovers. »Sándor Ferenczi«, konnte sie lesen. Der Inhalt war schon zu einer Rolle aus Asche geworden.
    »Mailin hat es herausgefunden«, murmelte sie.
    »Sie hat einfach keine Ruhe gegeben. Hat mich immer wieder gefragt, wer dieser Jakka ist.«
    Liss versuchte, Gedanken festzuhalten, die langsam in die Ferne glitten, zu einem Ort weit weg von diesem Raum, dem beißenden Geruch des Kamins, dem Staub und dem erkalteten Holz, weit weg von all den Gerüchen, die von ihr und Mailin stammten, von ihrem Vater, der einst an ihrem Bett gestanden und gesagt hatte, dass er fortmüsse, und von ihrer Großmutter, die hier Zuflucht gesucht hatte, bevor die Welt kam und sie holte.
    »Mailin hat begriffen, dass Jakka Berger ist.«
    Viljam sah sie eine Weile an.
    »Ja«, sagte er dann.
    »Er wollte das Geheimnis in
Tabu
lüften. Er wollte den Pakt brechen.«
    Viljam schüttelte den Kopf.
    »Nachdem Mailin … nicht mehr da war, bin ich jeden Tag bei Berger gewesen. Schließlich hat er verstanden, was mit ihr passiert ist. Sogar darüber wollte er vor der Kamera sprechen. Er war sich ganz sicher, dass er mich in der Hand hatte. Ich machte ihm weis, dass ich in seine Sendung kommen und dort alles gestehen würde. Wir haben alles sorgfältig zusammen geplant. Schockfernsehen! Er freute sich wie ein Kind. Schade, dass ich ihm die Freude nehmen musste.«
    Der Rausch, der nun seine volle Wirkung entfaltete, war anders als alles, was Liss bisher erlebt hatte.
    »Du bist ein Wrack, Viljam«, lallte sie. »Ein ekelhaftes Wrack!«
    Irgendwo in der Ferne begriff sie, dass er genau darauf gewartet hatte: dass sie ihn wütend machte. Er sprang auf und zog sie an den Haaren auf den Stuhl hinab. Auf der Kante des Kamins lag ein zusammengerolltes Seil. Er schlang es um ihre Taille, zog es über ihren Brüsten stramm und knotete es hinter dem Stuhlrücken zusammen. Mit dem losen Ende knüpfte er eine Schlinge, die er ihr über den Kopf zog.
    »Du bist auch nicht anders als sie«, knurrte er. »Werde dich nicht vermissen.«
    Sie begann zu husten.
    »Mailin hat alles getan, um dir zu helfen«, brachte sie heraus. »Sie hat sich um dich gekümmert.«
    Er schnaubte.
    »Sie hat mich zum Reden verleitet. Und während ich geredet habe, hat sie mich gestreichelt, mich ausgezogen. Sie hat mich in ihr Büro mitgenommen.«
    »Du lügst. So was würde Mailin nie machen.«
    Er zog die Schlinge um ihren Hals zu.
    »Vielleicht war deine Schwester nicht die Heilige, für die du sie hältst.«
    »Aber sie war mit dir zusammen«, krächzte Liss. »Ihr wolltet doch heiraten.«
    Seine Augen wurden schwarz.
Halte dir Mittsommer frei,
sagte eine Stimme in ihr. Er war es gewesen, Viljam, der ihr diese Nachricht von Mailins Handy aus geschickt hatte.
    Sie presste hervor, was sie nicht sagen durfte:
    »Sie wollte dich verlassen.«
    Er zog hart an dem Seil, das sich tiefer in ihren Hals schnitt. Sie spürte, wie ihr Kopf anwuchs, der Raum wurde von rötlichem Rauch erfüllt.
    »Sie sollte alles an mir lieben«, fauchte er, »egal, was ich getan hatte. Egal, was die anderen mir angetan hatten. Aber sie hat mich angelogen. Und das habe ich noch nie ertragen. Verstehst du? Wenn mich jemand anlügt, ist alles vorbei.«
    Plötzlich lockerte er das Seil wieder. Die Luft schoss ihr brennend in die Brust. »Hast du es jetzt verstanden? Hast du genug gesehen?«
    Durch den Nebel pulsten rote Flecken. Dann wurden sie schwächer, und der Nebel verschwand. Er hielt etwas in der Hand. Es war die Nadel einer Spritze, die er jetzt aus der Hülle zog. Sie spürte, wie er die Nadel an ihre Wange legte, sie vorsichtig aufritzte und die Nadel bis zu ihrem rechten Auge führte.
    »Hast du genug gesehen?«, wiederholte er.
    Sie versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen. Dadurch zog sich die Schlinge wieder zusammen. Der Nebel mit den roten Flecken kehrte zurück.
    Sie öffnete den Mund.
    »Viljam …
Jo

    Es hörte sich an wie ein Gebet, aber nicht sie sprach. Die Stimme war heiser und dunkel.
    »Jetzt ist es Jo«, zischte er. »Lieber, guter Jo und all das Gequatsche.«
    Er senkte die Spritze und stach sie direkt in ihre Brustwarze. Der Schmerz war noch schärfer als zuvor, er schoss ihr durch die Brust und löste etwas in ihrem Rücken.

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