Die Netzhaut
willst.«
»Gib mir einen Beweis, dass du jemand beauftragt hast, diese Fotos zu machen. Dann zweifle ich nie mehr an dir.«
Er schaute sie lange an. Am liebsten würde sie ihn anschreien und ihm direkt auf den Kopf zusagen, dass Mailin verschwunden sei, dass er ihr sagen müsse, was er wisse, sonst zeige sie ihn an. Stattdessen schloss sie die Augen und schüttelte resigniert den Kopf.
»Du hast immer so viele Pläne, Zako. Wie soll ich glauben, dass du je einen davon in die Tat umsetzt?«
Ruckartig stand er auf und nahm sein Handy. Tippte darauf herum und zeigte ihr das Display.
»Die Fotos sind mir aus Oslo geschickt worden, verstehst du? Ich meine es ernst.«
Liss wandte sich zum Fenster und biss sich auf die Lippen. Ich kenne ihn, sagte sie sich im Stillen. Zako konnte sehr weit gehen, um sie zu verunsichern. Aber Mailin entführen? Was wusste sie eigentlich von ihm? Begriff sie irgendetwas von dem, was um sie herum geschah? Hatte sie je etwas von der Welt begriffen, in der sie lebte? Wieder dieses Bild: In den Wald gehen, es ist Nacht, sich in den Schnee legen, zwischen den Kiefernwipfeln in den Himmel schauen, ins Grauschwarze hinabgleiten, sich fallen lassen und schlafen, für immer.
»Warum hast du das getan?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
Sie hörte, wie Zako die Bierflasche auf den Tisch stellte.
»Du brauchst mich, Liss«, sagte er, fast freundlich. »Verdammt, denk doch nur daran, was wir erreichen können – zusammen!«
Er schniefte die beiden Linien.
»Die dritte ist für dich.«
Sie setzte sich neben ihn, nahm das Röhrchen und zog sich die Linie rein. Sie sah, wie das letzte Körnchen verschwand, und spürte, wie es oben in ihrem Nasenloch brannte. Klare Gedanken, dachte sie. Noch eine Weile die Ruhe bewahren.
Zako griff nach ihrer Hand und drückte sie zwischen seine Beine. Hinter dem glatten Hosenstoff spürte sie etwas anschwellen. Wie ein aufgehender Brotteig, kam es ihr in den Sinn.
»Ich muss mal.«
»Aber beeil dich«, knurrte er. »Und bring ein Amstel aus dem Kühlschrank mit.«
Nachdem sie auf der Toilette gewesen war, ließ sie kaltes Wasser über ihre Hände laufen. »Liss«, murmelte sie vor sich hin. Es hörte sich traurig an.
Sie öffnete den Hängeschrank über dem Waschbecken. In einem Umschlag fand sie kleine, hellblaue Tabletten. Sie riss einen Streifen Toilettenpapier ab, legte sechs Tabletten darauf und zerstieß sie auf dem Waschbecken mit dem Boden des Zahnputzglases. Dann wickelte sie das feine Pulver in das Papier ein. In der Küche nahm sie ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete es, schüttete das Pulver hinein, wischte ein paar Körnchen vom Flaschenhals und schüttelte es vorsichtig.
»Wo bleibst du denn?«
Sie ging ins Wohnzimmer und stellte die Flasche vor ihm auf den Tisch.
»Scheißspiel«, sagte er mit Blick auf den Bildschirm.
»Hab auch Lust auf ein Bier«, sagte sie, holte ein zweites Amstel aus der Küche und setzte sich dicht neben ihn. Er öffnete seinen Hosenschlitz und zeigte ihr, was er zu bieten hatte.
»Prost«, sagte sie und hielt die eiskalte Flasche an seinen steifen Schwanz.
»Glaubst du etwa, der klappt gleich zusammen?«, fragte er grinsend und leerte die halbe Flasche in einem Zug.
Es dauerte nicht mehr als ein paar Minuten, bis er Schwierigkeiten bekam, den Kopf aufrecht zu halten. Er packte den Bund ihrer Strumpfhose und versuchte, sie ihr über die Hüften zu ziehen.
»Ich helf dir«, sagte sie und streifte sie langsam ab. Danach knöpfte sie ihre Bluse auf. Stand neben ihm und hatte nur noch ihren Tanga an. Er hob den Arm, um ihn auszuziehen.
»Was ist hier los?«, nuschelte er, musste den Versuch aufgeben und sank mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück.
Sie nahm sein Handy, schaltete die Tastensperre aus und fand die Fotos von Mailin. Auf dem ersten kam sie gerade aus einer Toreinfahrt, zusammen mit einem Typen, der Viljam sein musste. Er war groß und kräftig, hatte blonde Haare und etwas schräge Augen. Danach kam eine Serie von elf Aufnahmen, von denen Zako ihr eine im Café Alto gezeigt hatte. Der blonde Typ war auf mehreren Fotos zu erkennen. Die MMS war von einer Nummer aus geschickt worden, die mit 0047 begann. Seltsam, dass Zako die Nachricht nicht gelöscht hatte, ging es ihr durch den Kopf. Falls er wirklich jemand auf Mailin angesetzt hatte, behielt er dessen Nummer doch nicht auf seinem Handy. Zako war zwar ein Dreckskerl, aber kein Idiot. Sie notierte die Ziffern unten auf einer
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