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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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pfeifenden Laut durch die Zähne ausstieß.
    »Von einigen befreien wir uns, aber es kommen ständig neue hinzu. Ich arbeite daran, sie schneller zu überwinden, als neue entstehen können.«
    »Warum?«
    »Weil ich ein Revolutionär und Visionär bin, der etwas Wahres und Reines zutage fördern will, damit wir nicht an unserer Trashkultur ersticken.«
    Er schaute sie ernst an. Dann grinste er.
    »Gehen Sie mir nicht auf den Leim. Natürlich hat das nicht das Geringste mit Politik zu tun. Ich tue einfach das, was mir schon immer am meisten Spaß gemacht hat – zu provozieren. Verstehen Sie jetzt, warum ich die Theologie sausenlassen musste? Wenn man einem Kind ein Spielzeug gibt, beginnt es in der Regel sofort damit zu spielen. Doch gibt es auch Kinder, die das Spielzeug auseinandernehmen, um zu sehen, wie es zusammengesetzt ist. Danach werfen sie es weg. Ich bin ein solches Kind. Werde es immer sein. Das Schöne ist, dass ich damit auch noch einen Haufen Geld verdiene.«
    Erneut dieses hohle Lachen.
    »Aber jetzt habe ich beschlossen, aufzuhören.«
    »Mit dem Fernsehen?«
    »Mit allem … Die Talkshow an Silvester wird meine letzte sein. Wissen Sie, wovon die handeln wird?«
    Liss verneinte.
    »Vom Tod. Der Tod ist das absolute Tabu. Er entzieht sich allem, und man kann ihn nicht fassen.«
    »Eine Talkshow über den Tod? Das hat es doch schon öfter gegeben.«
    »Aber ich werde es anders machen.«
    »Jetzt machen Sie mich aber neugierig«, entgegnete Liss.
    »Sie wird gewissermaßen eine ironische Pointe haben«, sagte er lächelnd und sah stolz aus. »Dennoch wird sie todernst sein. Mehr verrate ich nicht. Sie haben mir schon zu viel entlockt.«

13
    A m Frognerveien sprang sie in die Straßenbahn und stellte sich in den hintersten Wagen, ohne zu bezahlen. Sie schickte Viljam eine SMS . Er war immer noch auf dem Seminar, doch sie erhielt eine Antwort: Um eins im Per På Hjørnet?
    Um Viertel vor eins saß sie im Café und trank einen Espresso. Nachdem sie draußen in der Kälte eine Zigarette geraucht hatte, kaufte sie sich eine Zeitung und ging wieder hinein. Es war zwanzig nach eins, als er auftauchte. Dass er sich verspätete, ärgerte sie.
    »Bist du es nicht langsam leid, ständig Gesetzesparagrafen zu büffeln?«, begnügte sie sich, zu fragen.
    »Lass uns über was anderes reden«, entgegnete er.
    Er bestellte einen Caffè Latte, sie noch einen Espresso. Plötzlich spürte sie den Drang nach etwas, das sie munterer machte als Kaffee.
    »Es ist so dunkel in dieser Stadt. Das Licht verschwindet ständig.«
    »In Amsterdam muss es um diese Jahreszeit doch fast genauso dunkel sein«, meinte Viljam.
    Liss wollte nicht über Amsterdam sprechen.
    »Ich war heute bei Berger.«
    »Berger!«, rief er aus. »Was wolltest du da?«
    Sie antwortete nicht. Eine ältere Frau ging vorbei, sie hatte einen winzigen Hut auf.
    Viljam nippte an seiner Tasse. »War das unbedingt nötig?«
    Sie blickte ihn an. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
    »Du hast gesagt, Mailin hätte irgendwas über Berger herausgefunden. Dass sie ihn vor der Sendung unter Druck gesetzt hat.«
    »Hast du ihn danach gefragt?«
    »Ich wollte mir erst mal einen Eindruck von ihm verschaffen. Nächstes Mal frage ich ihn vielleicht direkt.«
    Viljam schüttelte den Kopf.
    »Und was, meinst du, soll dabei herauskommen? Dass er auf die Knie fällt und alles zugibt?« Er wirkte ziemlich mutlos. »Du musst das der Polizei überlassen, Liss. Sonst behinderst du noch ihre Ermittlungen.«
    Er strich sich den langen Pony aus der Stirn. »Ich bin mit der Arbeit der Polizei ja auch unzufrieden«, fügte er leise hinzu. »Sie scheinen nicht zu verstehen, dass sich ihre Chancen mit jedem Tag verringern. Wenn nicht bald etwas geschieht …«
    Liss wartete. Das Ende des Satzes blieb irgendwo zwischen ihnen in der Luft hängen. Sie leerte die Tasse und schauderte.
    »Ich bin mir sicher, dass du weißt, was Mailin über ihn herausgefunden hat.«
    »Du hast recht«, entgegnete er und schwieg.
    Sie verlor die Geduld.
    »Ich will, dass du mir jetzt sagst, worum es ging.«
    Sie sah, wie seine Kaumuskeln arbeiteten. Dann stieß er hörbar die Luft aus.
    »Mailin hat wohl mit jemand über ihn gesprochen«, sagte er. »Jemand, den Berger vor vielen Jahren ›in die Geheimnisse der Erwachsenen‹ eingeführt hat. Das war es, was sie während der Sendung enthüllen wollte. Sie wollte direkt in die Kamera schauen und es erzählen.«
    Liss sperrte die Augen auf.
    »Sie wollte

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