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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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unbedingt Wert auf seine Gesellschaft im Obduktionssaal legte. Eine gewisse Tüchtigkeit musste sie ihm zuerkennen, obwohl die sogenannten Bärenmorde im letzten Jahr sein Renommee ziemlich angekratzt hatten. Allerdings war er nicht der Einzige, dessen Karriere im Zuge dieser Geschichte einen Rückschlag erlitten hatte. Die Dezernatsleiterin hatte ihren Stuhl räumen müssen, und auch ein paar andere Kollegen waren ihren Job losgeworden. Viken hingegen ließ sich von so etwas nicht aus der Bahn werfen. Er hatte sich regelrecht festgebissen und würde so lange beim Dezernat für Gewaltverbrechen bleiben, dachte Jennifer, bis sie ihn eigenhändig hinaustrugen. Er war sogar dreist genug gewesen, sich nach dem berüchtigten Fall um die frei gewordene Stelle des Dezernatsleiters zu bewerben. Diese Hartnäckigkeit gefiel ihr viel besser als seine Besserwisserei.
    Er kam um zehn nach drei, stieß die Tür auf und marschierte in den Obduktionssaal. Der Kopfschutz thronte wie eine Krone auf seinem Kopf. Wahrscheinlich will er, dass es so aussieht, dachte sie noch, ehe sie bemerkte, wer ihn begleitete. Sie stieß einen stillen Fluch aus. Viken war das eine. Sie wusste einigermaßen, woran sie bei ihm war. Für einen Choleriker hatte er sich ziemlich gut im Griff. Außerdem war er für Schmeicheleien empfänglich und daher leicht zu entwaffnen. Doch den Mann, der hinter Viken in der Tür erschienen war, wollte sie unter keinen Umständen an ihrem Arbeitsplatz sehen. Er war bedeutend jünger als der Kriminalkommissar. Auch jünger als sie. Viel zu jung. Knapp fünfunddreißig. Sie spürte, wie sie errötete. Seit der Weihnachtsfeier hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Genauer gesagt, seit der Nacht nach der Weihnachtsfeier. Er hatte ihr mehrere SMS geschickt, eine sogar an Heiligabend. Sie wollte das Ganze am liebsten vergessen. Nun, vergessen war vielleicht übertrieben, doch musste sie dafür sorgen, Roar Horvath auf Distanz zu halten. Jedenfalls bei der Arbeit.
    »Ich habe deinen vorläufigen Bericht gelesen, Jenny«, sagte Viken jovial. Seit wann nennt er mich beim Vornamen?, fragte sie sich, während sie sein Lächeln erwiderte und Roar Horvath kurz zunickte. Er wiederum erlaubte es sich, ihr zuzuzwinkern. Aber das war schon in Ordnung, zeigte es doch, dass ihm die Sache zumindest nicht peinlich war. Offenbar wollte er auch weiterhin denselben charmanten Umgangston anschlagen, dem sie auf der Weihnachtsfeier erlegen war. Konzentration, ermahnte sie sich einige Male.
    »Hat sich die Todesursache bestätigt?«, wollte Viken wissen.
    »Es liegen drei, vier verschiedene Ursachen vor, von denen jede allein tödlich gewesen wäre«, begann sie und zeigte mit dem Skalpell auf die Kehle, die an zwei Stellen geöffnet war. »Der Riemen um den Hals der Toten hat Arterien und Venen abgeschnürt. Sonst wäre das Gesicht angeschwollen und nicht bleich gewesen. Dass der Riemen einen waagerechten Abdruck hinterlassen hat, deutet außerdem darauf hin, dass die Frau erwürgt wurde, ehe man sie in die Position brachte, in der sie gefunden wurde.« Sie hob den Hautlappen über einer der Kehlöffnungen an. »Hier sind Bruchstellen in Schilddrüse und Zungenbein zu sehen, was zeigt, wie heftig die Strangulierung war.«
    Die beiden Polizisten beugten sich über die klaffende Öffnung. Jennifer nahm eine Pinzette zur Hand und wies auf die Stellen, die sie meinte.
    »Unter der Haut hat sich das Blut in einer Linie an drei verschiedenen Stellen gesammelt. Es stammt vermutlich von dem Riemen, ebenso wie dieser tiefere Abdruck.«
    »Das bedeutet?«
    »Das könnte bedeuten, dass sie mehrmals stranguliert wurde. Es sieht so aus, als hätte der Täter zwischendurch den Riemen gelöst und ihn danach wieder zugezogen, jedes Mal ein bisschen stärker.«
    »Was für ein makaberes Spiel«, bemerkte Viken. »Sie meinen aber trotzdem, dass der Tod keine Folge der Strangulierung war?«
    Jennifer hob den Kopf der Toten an.
    »Sie hat vier oder fünf Schläge direkt von oben bekommen.«
    »Ich habe mal Verletzungen gesehen, die von einem Hammer stammten«, bemerkte Roar Horvath. »Die sahen genauso aus.«
    Jennifer schüttelte den Kopf.
    »Nein, diese Schläge müssen mit einem größeren und schwereren Gegenstand erfolgt sein.«
    »Vielleicht mit einem Stein?«, schlug Viken vor.
    »Schon möglich, aber dann müsste er eine glatte und sorgfältig zugespitzte Oberfläche gehabt haben. Außerdem könnte er an einem Griff befestigt gewesen sein.« Jennifer zeigte auf

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